Tod auf der Piste
nur.
Irmi nickte. Die Fünf Freunde geisterten ihr noch durch den Kopf. Hubert Deubel war also der Mitläufer gewesen, der Gefolgsmann. Diesen Florian Eitzenberger würde sie auch noch ausfindig machen müssen. Aber das hatte Zeit.
Bis sie im Bett lag, war es zwei. Sie war zwar alt, aber unbelehrbar. Wenn man um halb sechs aufstehen musste, ging man nicht um zwei ins Bett. Manchmal wünschte sie sich inständig, Bernhard würde ein Frau finden, die statt ihrer in der Früh in den Stall ging. Vielleicht sollte sie ihn mal bei »Bauer sucht Frau« anmelden. Hässlich war er ja nicht, auch nicht dumm – er hatte es sich nur einfach so zwischen all seinen Pöstchen eingerichtet, dass für eine Frau kein Platz war. Und er hatte ja seine dämliche Schwester, die immer verfügbar war.
12
Trotzdem genoss Irmi an diesem Morgen die Stallarbeit beinahe. Sie war um fünf aufgewacht, einfach so, ohne Wecker und ohne Kreuzschmerzen. Und das nach nur drei Stunden Schlaf, vielleicht war das ja das Geheimnis. In der Kürze liegt die Würze. Ausnahmsweise hatte Kater ihr keine halbverzehrte Maus vors Bett gelegt. Man war auf jeden Fall wach, wenn man sich barfüßig aus dem Bett kämpfte, die Füßlein aufsetzte und erst mal Mäusereste durch die Zehen glibberten. Nein, das alles lief heute reibungslos, es versprach ein guter Tag zu werden.
Herr Dr. Jochum wohnte recht idyllisch am Ende der Krottenkopfstraße. Irmi wurde wieder einmal bewusst, dass sie draußen in Schwaigen schon mit den Alteingesessenen wenig zu tun, mit den Neubürgern aber rein gar nichts am Hut hatte.
Jochum öffnete, eine Teetasse in der Hand.
»Herr Dr. Peter Jochum?«
»Ja, bitte?«
Irmi zückte ihren Dienstausweis. »Mangold. Entschuldigen Sie den frühen Überfall, aber ich hätte einige Fragen zu Ernst Buchwieser.«
Jochum nickte. »Bitte, kommen Sie herein.« Er führte Irmi in eine Wohnküche, die etwas kühl wirkte. Allerdings türmten sich auf dem Tisch Zeitungen und Wissenschaftsmagazine, und die Spüle war rappelvoll. Hier lebten augenscheinlich Menschen, denen der Haushalt ziemlich am Allerwertesten vorbeiging.
»Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
»Gerne. Kaffee, wenn’s geht?«
»Cappuccino, Espresso, Café crème?«
Anscheinend waren alle Haushalte, die sie aufsuchte, halbe Espressobars. Nicht so wie im Haus Mangold, wo man den Kaffee noch mit dem Plastikfilter und heißem Wasser per Hand aufbrühte.
»Cappuccino«, entschied Irmi.
Jochum setzte eines dieser chromblitzenden Hochleistungsgeräte in Gang. Schon nach dem ersten Schluck stellte Irmi fest, dass der Kaffee den von Maria Buchwieser nicht toppen würde.
»Herr Dr. Jochum, wie standen Sie zu Ernst Buchwieser?«, eröffnete sie das Gespräch.
»Er war ein Wegbegleiter«, erwiderte er nach einer Weile.
Schön formuliert, neutral und nichtssagend. Irmi probierte es anders: »Sie sollen Ihren Frontmann Buchwieser zurückgepfiffen haben?«
»Ja, das musste ich, weil dem Bund Naturschutz mit Polemik nicht geholfen ist.«
»Aber Buchwieser war doch ein Publikumsmagnet, er wurde gehört.«
»Das mag alles sein, aber uns geht es um Seriosität.«
»Waren Buchwiesers Argumente denn unseriös? Ernst Buchwieser hat doch immer auch argumentiert, dass der Klimawandel dem Skisport den Garaus machen würde und jede Investition ins Skifahren daher keine Investition in die Zukunft sei. Ich habe in einer Kulturzeitschrift ein ziemlich hitziges Interview-Duell zwischen Buchwieser und Grasegger gelesen. Sie sind selbst Klimatologe: Wie warm wird es denn in Zukunft?«, fragte Irmi.
Er lachte kurz auf. »Auch wenn das in den Medien viel kontroverser diskutiert wird: Die Klimaforscher sind sich einig, dass die Temperaturen in den nächsten Jahrzehnten weltweit ansteigen werden. Alle Modelle geben klare Hinweise auf eine Erwärmung. Klimatologen gehen so vor, dass sie die Resultate unterschiedlicher Modelle vergleichen und einen Mittelwert suchen. Klimaforscher sind natürlich keine Hellseher, sie sind Wissenschaftler. Wenn ich wüsste, welches Modell richtig ist, käme ich in Wissenschaftskreisen groß heraus.«
»Sind die Winter wirklich milder geworden, oder glorifizieren wir nur unsere Kindheit? Unsere Schlitten- und Schneemannzeit?«
»Auch diese Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten. Je weiter man zurückgeht, desto ungenauer sind die Aufzeichnungen, und darin liegt ein Knackpunkt. Legt man zum Beispiel die letzten fünfzig Jahre zugrunde, dann gab es eindeutig
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