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Tod auf der Piste

Tod auf der Piste

Titel: Tod auf der Piste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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niemanden erkannt?«
    »Nein, wirklich nicht. Aber der Mörder weiß, dass wir den Film gemacht haben. Und wir sind die Nächsten.« Lutz schluchzte.
    Der arme Junge. Er hatte Angst. Todesangst. Und so ganz war das auch nicht von der Hand zu weisen. Natürlich bestand die Möglichkeit, dass jemand einfach den Film per se vernichten wollte, wegen des Imageschadens für Schule und WM, aber viel wahrscheinlicher war es doch, dass der Mörder dasselbe dachte wie sie: dass auf dem Film Beweise zu sehen sein könnten.
    »Wenn der Mörder jetzt hat, was er will, dann seid ihr nicht mehr in Gefahr«, sagte Irmi beruhigend, obwohl sie davon selbst nicht überzeugt war. »Ist Robin deshalb zu Hause? Macht ihr auf krank? Weil ihr Angst habt?«
    Lutz nickte. »Ja, wir haben das Thermometer in einen Becher heißen Tee gehalten, und alle glauben, dass wir die Grippe haben.«
    »Sag mal, Lutz, und bitte erinnere dich ganz genau: Wer wusste von dem Filmprojekt, und wer wusste, dass ihr das am Sonntag auch wirklich umsetzen wolltet?«
    »Vom Projekt wussten nur Robin und ich, außerdem hab ich Bea davon erzählt. Das war ein Fehler. Sie hat es ihrem Vater gesagt, sagen müssen.«
    Irmi überlegte. »Okay, und dann begann so eine Art Schneeballeffekt?«
    »Ja, genau. Als Herr Grasegger das erfahren hatte, hat er meinen Vater informiert, und dann sind beide zum Cellerar gegangen.«
    »Wieso zu ihm und nicht zum Schulleiter?«
    »Ach, mein Vater hat mal Geld lockergemacht für die Schule, und da hatte er eben immer mit dem Cellerar zu tun. Mein Vater lädt ihn auch ab und zu ein, vor irgendwelchen hohlen Managern zu sprechen. Coaching nennen die den Schmarrn.«
    Lutz hatte eine bemerkenswerte Einsicht ins Leben. Wieder war sich Irmi sicher, dass der Junge seinen Weg machen würde. Er hatte jetzt schon Charisma, in ein paar Jahren konnte er in Buchwiesers Fußstapfen treten. Ohne dessen übersteigertes Selbstwertgefühl, ohne dessen Entgleisungen. Lutz würde auf dem Boden bleiben, vielleicht gerade weil sein Vater ihn immer so runterzog. Manche Kinder wurden trotz oder gerade wegen solcher Eltern zu großartigen Menschen, dachte Irmi. Sie konnten immerhin als schlechtes Bespiel dienen.
    »Noch eins, hat sich denn niemand mit der Familie Senftle in Verbindung gesetzt?«
    »Doch, aber bei Robin ist das ein bisschen anders. Seine Eltern sind tot. Er ist bei seiner Oma und seinem Opa aufgewachsen, auf einem kleinen Bauernhof bei Füssen. Ich war da mal, das ist wie im Freilichtmuseum, aber Robin hat da DSL und ein richtiges Computerterminal. Seine Großeltern sind echt cool: Die haben jedes Gespräch abgelehnt. Sein Opa hat gesagt, dass der Bub schon recht ist und auch nichts Unrechtes macht. Robin hat daheim angerufen, als der Film geklaut war, und sein Opa hat gesagt, dass er heimkommen soll. Verstehen Sie, die stehen immer zu ihm, egal, was er macht. Aber Robin macht eh nix Schlimmes.«
    Irmi horchte seinen Worten nach. Ein Opa, der immer da war? Eltern, die ihr Kind bedingungslos liebten? Ein Vater, der erst den Sohn anhörte und dann die anderen? Das alles vermisste Lutz, so wie sie es vermisst hatte. Ihrem eigenen Vater war es immer um die Außenwirkung gegangen: Wenn sie Ärger mit anderen Kindern gehabt hatte, war sie immer im vorauseilenden Gesellschaftsgehorsam verurteilt worden. Egal, was passiert war. Vielleicht hatte sie deshalb so einen Gerechtigkeitswahn entwickelt und war zur Polizei gegangen. Er steckte tief in ihr, dieser Urschmerz, im entscheidenden Moment von denen allein gelassen worden zu sein, die sie doch vorbehaltlos lieben sollten.
    Irmi atmete tief durch. Sie hätte jetzt so viel sagen können, aber die Worte blieben irgendwo auf dem Weg vom Herzen zum Mund stecken. Stattdessen lächelte sie Lutz nur an. »Eine letzte Frage: Könnte Rieger gewusst haben, dass ihr den Film drehen wolltet, könnte er gewusst haben, dass ihr am Sonntag auf der Kandahar seid?«
    Lutz überlegte. »Sie meinen, dass der Rieger…? Also, ich weiß nicht. Der hat ja auch gar keinen Führerschein.«
    »Wie?«
    »Dem hat die Polizei für ein Jahr den Führerschein abgenommen, zwei Komma drei Promille oder so. Jetzt fährt er immer mit einem uralten Bulldog rum. Der stand zumindest, als wir los sind, vor dem Hotel.«
    Mit einem Bulldog konnte Rieger die Filmcrew nicht eingeholt haben. Er hätte höchstens ein Taxi genommen haben können oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln losgezogen sein, aber das alles klang unwahrscheinlich. Zu geplant

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