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Tod auf der Piste

Tod auf der Piste

Titel: Tod auf der Piste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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waren den Hügel hinuntergerannt wie die Kinder. Er hatte ihr im Dorfzentrum von Eschenlohe weiter vorgelesen: von der Kirche St. Clemens und dem Deckenbild über dem Hochaltar, das von keinem Geringeren als Johann Jakob Zeiller stammte, der auch das opulente Ettaler Kuppelbild gemalt hatte.
    Ettal, es führte immer alles nach Ettal. Damals wie heute.
    Sie hatten beim Gasthof Brücke in der Sonne Weißbier getrunken, über die Architektur der neuen Brücke diskutiert und vor lauter Glücklichsein die völlig überforderte junge Bedienung einfach vergessen. Was machte es schon, ob die Getränke kamen oder nicht, solange er da war. Sie hatte jede Menge Bekannte getroffen, aber die neugierigen Blicke waren ihr egal gewesen. Wenn einer gefragt hätte, wer denn ihr Begleiter sei, hätte sie der Welt jubelnd erzählt, das sei ihr Liebster. Natürlich hatte niemand gefragt, Menschen redeten lieber hinter vorgehaltener Hand, spähten lieber durch Schlitze in den Vorhängen.
    Irmi ging zügig weiter, Martina Jochum musste jeden Moment vorbeikommen. Was Loisach, Lauterbach und Mühlbach zusammen mit den kleinen Teichen und Tümpeln inmitten von Rohrgras und Binsen als Farb- und Wasserspiele inszenierten, das müsste man ablichten oder malen, dachte sie. Selbst an diesem Schmuddelwettertag war es hier zauberhaft. Aber Irmi besaß weder Kamera noch künstlerisches Talent. Im Hintergrund ragte das Estergebirge mit seinen weißen Flanken auf, die Eibsee-Seilbahn war genau auszumachen. Ein paar Nebel waberten nun schon über dem Pfrühlmoos, sie würden über das Tageslicht bald Oberhand gewinnen.
    Irmi hörte das Geräusch schon vor Weitem. Das Klickklack der Stöcke. Energisch und rhythmisch. Die Frau kam näher. Sie war Ende dreißig bis Anfang vierzig, schätzte Irmi. Die Haare waren mittellang und mittelblond, eine Allerweltsfarbe mit Allerweltsschnitt. Sie trug dreiviertellange Walking-Hosen, eine Softshell-Jacke in Grau und dazu Trekkingboots, die in die Jahre gekommen waren.
    Martina Jochum war nicht etwa dick, aber wahrlich keine Fee wie Maria Buchwieser. Sie wirkte erdverbunden und ein klein wenig nachlässig – wie eine Frau, die entweder nie viel auf ihr Äußeres geachtet hatte oder inzwischen alt genug war, um zu wissen, dass sie Besseres zu bieten hatte als Schönheit. Dankenswerterweise schrieb die Autorin weder Krimis noch pseudowitzige Frauenbücher – nein, sie schrieb Familiengeschichten. Und zwar anscheinend richtig gute, wie Kathi fand.
    Irmi trat ihr in den Weg. »Frau Jochum?«
    Diese nickte und sah Irmi mit einem offenen, fragenden Blick an.
    »Frau Jochum, mein Name ist Mangold von der Kripo. Sie hatten eine Affäre mit Ernst Buchwieser.« Irmi formulierte das nicht als Frage. Seit dem vorangegangenen kurzen Gespräch mit Herrn Jochum war es für sie eine unumstößliche Tatsache.
    Martina Jochum hatte sich auf ihre Stöcke gestützt und blickte ins Tal. Sie sah aus wie ein Model für einen Nordic-Walking-Prospekt. Das Einzige, was in dieser Inszenierung störte, waren die Tränen, die über ihre Wangen liefen.
    Irmi fingerte eine Packung Papiertaschentücher heraus und reichte sie Martina Jochum.
    »War es eine Affäre?«, fragte sie schließlich.
    »Affäre klingt nach sexuellen Eskapaden. Nach schwülen Nächten in billigen Hotels, nach gestohlenen Stunden. Nach Schweiß und tropfenden Duschköpfen.«
    Irmi fühlte sich wie ertappt. Ihr letztes Hotel in Igls mit ihm hatte eine Dusche gehabt, der kaum Wasser zu entlocken war und die völlig ungeeignet gewesen war, das Shampoo aus ihrer Naturkrause zu entfernen.
    Sie überlegte eine Weile, ehe sie sagte: »Ihre genaue Beschreibung sagt mir aber, dass Sie solche Situationen kennen.«
    Martina Jochum nickte. »Ja, durchaus. Jede, die im Verborgenen lieben muss, stolpert über miese Absteigen und feixende Nachtportiers und rempelt in dunklen Gängen die Palmen in den Ecken an, weil sie sich nicht traut, Licht anzumachen.«
    »Also war es Liebe? Keine Affäre?«
    Martina Jochum tupfte sich ein paar Tränen ab und sah Irmi in die Augen. »Was nützt es Ihnen, wenn ich Ihnen sage, dass es Liebe war? Macht es mich dann verdächtiger– oder weniger verdächtig?«
    »Sie sind gar nicht verdächtig, zumal Sie ja eine Lesung in München bei einem Literaturbrunch hatten«, sagte Irmi und versuchte ein aufmunterndes Lächeln.
    »Ja, und etwa hundert Menschen hingen an meinen Lippen.« Sie lachte kurz und trocken. »Aber mein Mann ist verdächtig, nicht wahr? Weil

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