Tod Auf Der Warteliste
sein.«
»Langsam, Galvano. Wovon sprechen Sie?«
»Kauf dir die ›Repubblica‹. Ein ganzseitiger Artikel von deinem Ramses über ›La Salvia‹. Das ist ein Skandal erster Güte. Du mußt sofort handeln. Ich bin in zehn Minuten bei dir.«
Laurenti ging zurück zum Zeitungskiosk und kaufte die Sonntagsausgabe der Zeitung. Neben einem Archivfoto der Klinik prangte die Headline. Illegale Transplantationen in Triest. Die Ärzte einer Beautyklinik stehen unter Mordverdacht. Einer von ihnen begann sein blutiges Handwerk vor Jahren auf Malta. Skrupellos wurden Unfallopfer ausgeschlachtet, die Organe entnommen und, wie auf Bestellung, weiterverkauft. Auch der Import von sogenannten Spendern nach Italien steht im Programm der weit über die Grenzen hinaus berühmten Klinik. Am Montag soll der nächste Eingriff stattfinden. Laurenti mußte schlucken, als er den Artikel überflog. Es war nicht zu fassen, was der scheue Schweizer zusammengetragen hatte. Über das Mobiltelefon rief Laurenti den Staatsanwalt an, der sich nach langem Klingeln mit verschlafener Stimme meldete.
»Scoglio«, rief Laurenti. »Wir müssen nochmals rauf auf den Karst. Es ist dringend. Wann sind Sie hier?«
Die nächsten Anrufe galten Sgubin und der Einsatzbereitschaft.
*
Als er sich nach den Ereignissen auf dem Friedhof Sant’Anna wieder etwas gefangen hatte, waren sie am Samstag nachmittag schon wieder nach »La Salvia« gefahren. Laurenti war fest entschlossen gewesen, dort oben keinen Stein auf dem anderen zu lassen, egal, wie prominent die Patienten in der Klinik waren. Und sowohl der Questore wie auch der Staatsanwalt hatten ihm volle Rückendeckung zugesichert. Allerdings mußte zuerst eine größere Gruppe Jugendlicher dazu gebracht werden, die Einfahrt zu räumen. Von den Sirenen der Einsatzwagen ließen sie sich kaum beeindrucken, weshalb Sgubin aussteigen mußte, um mit ihnen zu reden.
»Die sind allen Ernstes davon überzeugt, daß Michael Jackson da drin ist«, sagte er, als er sich wieder in den Wagen setzte und die Kids mißmutig das Feld räumten.
»Solange es nicht mehr sind, die diesen Blödsinn glauben, gibt’s noch Hoffnung! Zwanzig Idioten gibt es überall. Fahr schon los.« Laurenti war ungeduldig.
Eine Gruppe von Beamten, die von Sgubin angeleitet wurde, überprüfte das ausländische Personal: keine Aufenthalts- und keine Arbeitsgenehmigungen, ausschließlich Touristenvisa. Alle behaupteten, sie seien erst gerade eingetroffen und sollten in den nächsten Tagen angemeldet werden. Laurenti nahm sich zusammen mit Galvano und drei Männern aus der Bereitschaft die Patienten vor. Großzügig ausgestattete Apartments für großzügig bezahlende Mitglieder der Upperclass, die sich, wie sich schnell herausstellte, hier oben für nichts anderes als die Verbesserung ihres äußeren Erscheinungsbildes interessierten. Straffen, Absaugen, Fasten – Galvano meckerte, daß er nicht verstünde, weshalb manche Patienten für die Säfte und Brühen, die eine Nullkaloriendiät begleiteten, mehr hinlegen mußten als für das beste Fünf-Gänge-Menü bei Ami Scabar oder in der »Risorta« in Muggia. Offene Operationsnarben trug niemand im Gesicht. Die Leute waren freundlich und zuvorkommend. Anders als die Klinikleitung in den letzten Tagen immer behauptet hatte, empörte sich niemand darüber, daß die Polizei da war.
Einer der Patienten war unauffindbar. In seinem Zimmer stand eine halbgepackte Reisetasche mit Männerkleidung. Als hätte der Besitzer keine Zeit gehabt, sein Gepäck fertigzumachen. In der Hast hatte er sogar seinen Paß in einem Seitenfach der Tasche vergessen. Laurenti blätterte ihn langsam durch: Ein deutscher Reisepaß, der in vier Monaten ablief: Friedrich Müller, 1967 in Dresden geboren. Das nichtssagende Foto zeigte einen dunkelblonden Mann mit Backenbart und einer großen Brille mit starken Gläsern. Keine Visastempel. Laurenti steckte das Dokument ein. Er würde es später überprüfen lassen. Die Dame am Empfang sagte, er sei ausgeritten. Sein Name war ihr nicht bekannt, und im Krankenbuch war er nicht eingeschrieben. Laurenti gab den Befehl, ihn auf dem Klinikgelände zu suchen. Vielleicht betrieb er wirklich Sport und die Sache klärte sich rasch auf.
Doch dann kam einer der Polizisten, die den Mann suchen sollten, aufgeregt zurück. Im Stall hatten sie den Pferdepfleger gefunden, der sichtlich verwirrt war und stammelnd aussagte, ein Bursche namens Vasile, der auf seine Operation wartete,
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