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Tod Auf Der Warteliste

Tod Auf Der Warteliste

Titel: Tod Auf Der Warteliste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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Viertelstunde.«
    »Gut so! Veranlasse bitte, daß der Leiter des Personenschutzes um siebzehn Uhr zu mir kommt.«
    »Ist was passiert?« Marietta stand auf und zog ein langes dunkles Haar von seinem Jackett. Er bemerkte es nicht.
    »Petrovac kommt raus! Er hat seine Freilassung durchgesetzt.« Laurenti blätterte die eingegangene Post durch, während Marietta aufmerksam das Haar betrachtete. Aufgespannt zwischen ihren Fingern maß es über fünfzig Zentimeter.
    »Es gibt noch eine schlechte Nachricht«, sagte sie und ließ das Haar auf seinen Schreibtisch fallen.
    »Welche?« Laurenti drehte sich um und warf den Stapel Papier in die Ablage zurück. Das meiste waren Personalangelegenheiten, die warten konnten.
    »Auch Tatjana Drakič kommt raus. Vorzeitige Entlassung wegen guter Führung.«
    »Streich den heutigen Tag bitte aus dem Kalender! Wenigstens saß sie drei Jahre ab. Wird sie ausgewiesen?«
    »Nein. Geht nicht! Sie hat doch die italienische Staatsbürgerschaft. Erinnerst du dich nicht mehr?«
    Er hatte sie im Sommer 1999 festgenommen. Schleuserei, Erpressung, Anstiftung zur Prostitution und Zuhälterei lauteten die Anklagepunkte. Sie hatte ihm ins Gesicht gespuckt, als er mit einer halben Armee ihre Villa stürmte. Ihr ebenso gesuchter Bruder war dann doch noch entkommen – durch einen versteckten Hinterausgang, den sie aus lauter Schlamperei übersehen hatten. Das Motorboot, mit dem Viktor Drakič geflohen war, prallte gegen einen Deich und explodierte. Sein Kompagnon war tot, in den Trümmern verbrannt. Von Drakič aber fehlte jede Spur. Keine zweite Leiche war am Unfallort aufgetaucht, obgleich die Behörden tagelang mit Schiffen und Tauchern gesucht hatten. Laurenti war sich ziemlich sicher, daß die Fische ihn verschmäht hatten. Aber wo war er geblieben?
    Laurenti erinnerte sich nur ungern an diesen Mann. »Laß die Drakič überwachen, sobald sie entlassen wird«, sagte er zu Marietta. »Ich will wissen, was sie tut, wohin sie geht, mit wem sie sich trifft, mit wem sie telefoniert. Über jeden ihrer Atemzüge will ich unterrichtet werden. Falls ihr Bruder noch lebt, wird sie früher oder später Kontakt mit ihm aufnehmen. Und dann ist er dran.«
    »Du glaubst also immer noch nicht, daß er tot ist. Hast du vielleicht heute mittag jenseits der Grenze nach ihm gesucht? Die Überwachung des Früchtchens bedeutet einen immensen Aufwand. Dazu brauchen wir eine richterliche Anordnung. Du mußt übrigens los, wenn du nicht zu spät zum Staatsanwalt kommen willst«, sagte Marietta.
    »Dann kann ich auch gleich darüber mit ihm sprechen.« Laurenti schaute auf seine Armbanduhr. »Vergiß nicht den Mann vom Personenschutz. Siebzehn Uhr!«
    »Hat sich deine Frau eigentlich die Haare gefärbt?« fragte Marietta, als er schon halb zur Tür raus war.
    »Nein, warum?« Er schaute sie verwundert an.
    »Nur so«, sagte Marietta.
     
    *
     
     
    Der Monumentalbau des Justizpalasts drückt wie ein übermächtiger Steinklotz auf die Stadt und steht selbst nicht im Einklang mit dem Gesetz. Nie hatte es jemand für nötig befunden, von der Fassade die Inschrift aus den Jahren des Faschismus zu entfernen. SEDES IVSTITIAE VRBIS LIBERATAE DECUS AN MCMXXXIV XII A FASC REST – JUSTIZPALAST DER BEFREITEN STADT, ERRICHTET IM JAHR 1934, IM 12. JAHR DES FASCHISMUS. Erst ein Literaturprofessor aus Dortmund, der einige Monate als Gast in der Stadt war, hatte Laurenti einmal ironisch darauf aufmerksam gemacht.
    Weil er nicht einmal in der öffentlichen Tiefgarage einen freien Parkplatz fand, stellte er den Wagen kurzerhand vor ein paar Müllcontainern in die zweite Reihe, nahm das Blaulicht aus dem Handschuhfach und stellte es ausgeschaltet aufs Armaturenbrett. Dieses Zeichen konnte auch dem blindesten Stadtpolizisten nicht entgehen. Er war noch keine zwanzig Schritte entfernt, als ihm der Pfiff aus einer Trillerpfeife durchs Mark fuhr. Er ging weiter, ohne sich umzuwenden, und hörte den zweiten Pfiff. An der Ecke dann der dritte. Laurenti hatte es eilig und verspürte nicht die geringste Lust, sich darum zu kümmern. Er hielt von den Vigili urbani soviel wie fast alle Triestiner auf Parkplatzsuche. Schon öfter hatten sie seinen Wagen mit Strafzetteln verziert, die seine Assistentin dann mit einem Telefonat wieder rückgängig machen mußte. Die Stadtpolizei war seit einem Jahr noch kleinlicher geworden, als erwartete man von ihren Beamten Mindestquoten an Strafzetteln. Nur nicht umdrehen und jede Diskussion vermeiden.
    Das Büro

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