Tod Auf Der Warteliste
Informationen ist das so eine Sache, man weiß nie, wo die undichten Stellen sind, wenn es dann plötzlich in der Zeitung steht.«
Romani schäumte vor Wut, doch als er antworten wollte, kam Scoglio über den Flur auf sie zu. Der Schlagabtausch hatte ein Ende. Romani erhob sich. Er rechnete damit, vor Laurenti hereingerufen zu werden. Der hochgewachsene, hagere Scoglio ging mit einem Kopfnicken an ihnen vorbei und verschwand in seinem Büro. Der Mann vom Begleitschutz stellte sich neben die Tür und schaute an ihnen vorbei. Rechtsanwalt Romani ging ohne anzuklopfen ins Vorzimmer. Nach zehn Sekunden kam er mit rotem Gesicht wieder heraus.
»Sie sind dran«, sagte er wütend.
Laurenti grinste. »Die Letzten werden die Ersten sein, das steht schon in der Bibel.«
Er ging an den beiden Sekretärinnen vorbei zu Scoglio hinein, der an seinem Schreibtisch sitzen blieb und auf den Besucherstuhl zeigte.
»Ich habe verhindert, daß man Ihren Wagen abschleppt, Laurenti«, sagte Scoglio. »Ich kam gerade vorbei, als der Tieflader der Vigili davor hielt.«
»Sind die blind? Ich hatte doch das Blaulicht auf das Armaturenbrett gestellt.«
»Manchmal übertreiben sie es, das ist wahr.«
»Und jetzt sollen sie auch noch bewaffnet werden, wenn sich die ultrarechten Stadträte durchsetzen. Da können wir uns auf etwas gefaßt machen. Wie auch immer, danke!«
»Kommen wir zur Sache. Ich habe viel zu tun, und draußen wartet Romani.«
»Ich habe eine schlechte Nachricht für Sie. Petrovac kommt raus.«
Scoglio legte das Schriftstück auf den Tisch und lehnte sich langsam in seinem Sessel zurück. »Woher wissen Sie das?«
»Eine zuverlässige Quelle in Kroatien. Spätestens übermorgen. Es wurde noch nicht offiziell bekanntgegeben.«
»Das ist wirklich eine schlechte Nachricht.«
»Es tut mir leid, aber nach allem, was in der Vergangenheit gelaufen ist, muß Ihr Schutz verstärkt werden. Sie werden wieder ziemlich eingeschränkt leben müssen. Ich mache mir Sorgen!«
»Mein Leben ist nicht so wichtig, Laurenti.« Der Staatsanwalt ging zum Fenster und stützte sich mit beiden Händen auf die Fensterbank. »Aber es scheint, als sei die ganze Arbeit für die Katz gewesen. Jahrelanges Rackern, Abhören, Beschatten, Verfolgen. Wir können wieder von vorne anfangen.« Er stand so dicht am Fenster, daß sich die Scheibe von seinem Atem beschlug.
Laurenti erinnerte sich, wie Scoglio 1998 die erste Untersuchungskommission des Landes gegen die Schleuserorganisationen eingerichtet hatte, ein kleines Team von elf Spezialisten, die bis zu Petrovacs Festnahme über Jahre Überstunden aufgebaut, nie Ferien genommen hatten und rund um die Uhr im Einsatz waren. Am Anfang war es der Task force lediglich darum gegangen, die Struktur und die Funktionsweise der Organisation zu erfassen. Die Truppe leistete fast Geheimdienstarbeit und arbeitete völlig abgeschirmt. Es wurde legal und illegal abgehört, gefilmt und fotografiert, beschattet, Autos verwanzt oder mit Satellitenpositionsmeldern bestückt, Wohnungen heimlich durchsucht und, das war die eiserne Regel, lange Zeit niemand festgenommen. Scoglio hatte nur ein Ziel: die Hintermänner. Allmählich war es ihnen gelungen, das System ständig wechselnder Telefonnummern zu durchschauen. Fünfmal während eines Gesprächs wurden im Durchschnitt die Telefonkarten gewechselt. Es handelte sich um eine Toporganisation, die wie ein Terroristenverbund funktionierte. Da waren Fahrer, die nichts fragten, verschlüsselte Nachrichten, tote Briefkästen, bündelweise Bargeld, doppelwandige LKWs, Statthalter, die ihre Chefs weder gesehen noch je direkt gesprochen hatten. Auch die Erpressung ganzer ethnischer Gruppen gehörte zum Repertoire. Chinesen oder Afrikaner zum Beispiel. Und dann, als die Ermittler endlich Fortschritte machten, nach der ersten Verhaftungswelle, hatte ein Beamter Scoglio gerufen und ihm das Band vorgespielt. Der Staatsanwalt hörte, wie Petrovac einem Killer aus Bosnien den Auftrag gab, Scoglio umzulegen.
Die bevorstehende Entlassung von Jože Petrovac war ein Skandal.
»Wie hat er das geschafft, verdammt noch mal?« brüllte Scoglio.
»Keine Ahnung«, sagte Laurenti. »Mehr weiß ich noch nicht. Aber fragen Sie doch Romani. Er wird es Ihnen sicher gerne erzählen.«
»Mir ist nicht zum Lachen.« Scoglio kam zurück zu seinem Schreibtisch und setzte sich ächzend nieder. »Ich muß mit dem Ministerium sprechen. Vielleicht können die politisch etwas bewirken. Ich rufe Sie an,
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