Tod Auf Der Warteliste
die, wie er sagte, soeben vom letzten Fischer im Dorf geliefert worden waren. Sie entschieden sich für eine Ombrina vom Grill, eine silbern schillernde Marmorbrasse von knapp dreißig Zentimeter Länge, auf deren Körper wellenförmige Goldstreifen verliefen.
»Wir bekommen vielleicht einen echten Caravaggio ins Geschäft«, sagte Laura, als sie wieder allein waren. »Wenn wir den versteigern, kommt endlich wieder Geld rein. Er hing seit Jahrzehnten in einer Privatwohnung an der Riva Grumula. Hörst du mir überhaupt zu?«
Laurenti hörte auf, den Hund zu streicheln. »Ja, ja, natürlich. Riva Grumula, Caravaggio. Erstaunlich. Ist das wirklich wahr? Wo kommt der her?«
»Der Eigentümer sagt, das Bild habe über Jahrzehnte in der Wohnung der Familie gehangen. Sie hätten es erst vor kurzem zum ersten Mal abgenommen und die Signatur auf der Rückseite entdeckt.«
»Da wird jetzt ein schöner heller Fleck an der Wand sein. Wieviel ist das Ding wert?«
»Zwanzig Millionen sicher. Vielleicht sogar mehr. Endlich ein dicker Fisch.« Auch Lauras Auktionshaus hatte den Konjunktureinbruch zu spüren bekommen, dabei setzte die unverminderte Erbwelle in Triest viele Schätze frei – zur falschen Zeit.
»Und das hängt da einfach in einem dieser Häuser rum?« Laurenti schüttelte den Kopf. »Man will gar nicht wissen, was sich dort noch befindet.«
»Ja, aber jetzt steht es in einem Tresorraum der Banca Commerciale. Und es muß eine Expertise gemacht werden. Alles streng geheim. Ich mußte das Kulturministerium informieren, die haben als erste das Zugriffsrecht, um zu verhindern, daß solche Werke das Land verlassen.«
»Na, dann könnt ihr euch auf etwas gefaßt machen. Die werden es vermutlich gleich beschlagnahmen, bis der Ursprung klar ist. Hoffen wir, daß es nicht gestohlen wurde und überhaupt ein echter Caravaggio ist.«
»Gestohlen wurde es sicher nicht. Unter www.carabinieri.it, auf der Seite der Tutela Patrimonio Culturale, war es bei den geraubten und vermißten Bildern nicht zu finden. Und die telefonische Nachfrage ergab auch nichts.«
»Wie heißt das Bild?«
»›Der ungläubige Thomas‹. Ein kleines Bild, etwa eins zwanzig auf eins sechzig. Wenn es wirklich so ist, wie ich hoffe, dann ist der Umsatz für dieses Jahr drin.«
Triest – Istanbul – Bukarest
Mit dem Foto des Toten des deutschen Kanzlers hatten sie alle öffentlichen und privaten Kliniken in Reichweite abgeklappert. Er konnte eigentlich nur aus einem Krankenhaus weggelaufen sein, doch niemand hatte den Mann je gesehen. Das Foto war mehrfach in den Zeitungen und im Fernsehen veröffentlicht worden, ohne Erfolg. Die Beamten vom Innenministerium hakten wöchentlich nach. Laurenti konnte den Fall nicht einfach zu den Akten legen. Am vergangenen Sonntag ging er einer letzten verzweifelten Idee nach, die tatsächlich einen Verdacht erbrachte, auf den er kaum zu hoffen gewagt hatte.
Mit dem Foto in der Jackentasche fuhr er zur LKW-Verladestelle an der Riva Traiana, wo werktags die Fähren mit Hunderten von Lastzügen nach Istanbul ablegten. Nach der letzten Verbindung am Samstag mußten die Fahrer warten, bis sie das erste Schiff am Montag morgen aufnahm. Enggeparkt standen die schweren Lastwagen auf den Parkplätzen vor der Einfahrt zum Zollgelände. Bei jedem Wetter bereiteten sich die Männer in kleinen Gruppen ihre Mahlzeiten zwischen den Fahrzeugen zu und schlugen die Langeweile tot. Die meisten waren Türken, aber auch Iraner, Rumänen und einige Moldawier zogen die Verbindung übers Meer dem langwierigen Landweg vor. Laurenti ging Reihe für Reihe ab und zeigte jedem der Männer das Foto des Toten. Die Verständigungsprobleme waren erheblich: Keiner von ihnen war auch nur einer der Sprachen mächtig, die Laurenti kannte, doch auch seine Englisch- und Französischkenntnisse waren mäßig, und Deutsch konnte er schon gar nicht. Was Laurenti wollte, verstanden sie aber auf Anhieb. Schnell folgte ihm eine Gruppe Neugieriger, die rasch anwuchs. Er war nahe daran aufzugeben, als der Fahrer eines knallrot lackierten, rumänischen Sattelschleppers das Foto lange in der Hand hielt und dann einen mißtrauischen Blick auf Laurenti warf.
»Kennen Sie den Mann?« fragte Laurenti. Ein Rumäne mußte ihn verstehen.
Der Fahrer schaute noch einmal lange auf das Foto, dann schüttelte er plötzlich den Kopf und gab das Bild zurück.
»Sind Sie absolut sicher?«
Der Fahrer nickte entschieden, stieg ins Führerhaus hinauf und wollte die Tür
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