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Tod Auf Der Warteliste

Tod Auf Der Warteliste

Titel: Tod Auf Der Warteliste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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das wünschen soll. Stell dir nur mal vor, wie sein künftiges Leben aussieht. Er muß jetzt alles mit dem Mund machen.« Der schwarze Hund stand auf und schaute Laurenti an.
    »Der will Wasser«, sagte Sgubin.
    »Woher willst denn du das wissen?«
    »Ein Napf steht hier nicht rum.«
     
    Sie gingen ganz hinaus bis zum Ende des Molo Audace, wo eine Messingplatte die Namen und Richtungen der Winde, die über die Stadt fegten, anzeigte: Scirocco, Libeccio, Greco – Bora. Kein Vigile machte sich je die Mühe, so weit hinauszugehen – hier war das Hundeparadies, und Spaziergänger taten gut daran, aufzupassen, wohin sie traten. Cluzot lief gutgelaunt kreuz und quer über die großen Pflastersteine und hob unablässig das Bein. Laurenti setzte sich auf einen der schweren Poller, an dem früher die großen Schiffe festgemacht hatten, und starrte in den Nebel. Zwei einsame Ruderer zogen im Zweier mit kräftigen harmonischen Schlägen vorbei und verschwanden hinter dem Deich, der vor dem alten Hafen liegt. Es war heller geworden, die dicke Nebeldecke schien sich aufzulösen und die Sonne endlich durchzubrechen. Laurenti wählte auf dem Mobiltelefon Živas Nummer.
    »Hattest du etwa Sehnsucht nach mir?« Ihre Stimme schien gehetzt, und das schnelle Klacken ihrer Absätze klang, als wäre sie in einem langen Flur unterwegs.
    »Ich wollte mich mit dir verabreden, Živa.«
    »Ich bin im Gericht, gleich beginnt die Verhandlung.«
    »Etwas Besonderes?«
    »Nur ein paar Kleinkriminelle.«
    »Wann sehen wir uns? Freitag?«
    »Das könnte vielleicht gehen. Ich rufe dich zurück, so bald ich dazu komme. Bis später.«
    Laurenti schaute unzufrieden auf das Display des Mobiltelefons, dann rief er nach Cluzot, der auf der Mitte der Mole überaus aufdringlich eine kleine weiße Hundedame hofierte, deren Besitzerin vergeblich versuchte, das schwarze Ungetüm zu verscheuchen. Laurenti zog ihn am Halsband weg.
    »Verzeihen Sie«, sagte er zu der indignierten Dame. »Es scheint der Frühling zu sein, der ihn so verrückt macht.«
    »Überall wird man belästigt«, zischte die Frau und stakste davon.
    »Komm mit«, sagte Laurenti laut zu seinem Hund. »Ich weiß gar nicht, was du an der weißen Bürste findest. Und Frauchen ist ein Ekel.«
    Hinter dem Teatro Verdi, dem städtischen Opernhaus, kamen sie an einem Laden für Hundebedarf vorbei, wo Cluzot seine feuchte Nase ans Schaufenster drückte und die Welpen im Schaufenster betrachtete, die zwischen Unmengen halbzerfetzter Zeitungen in ihren Exkrementen herumbalgten.
    Laurenti ging hinein und fragte, ob sie auch Bobtail-Junge zu verkaufen hatten. Die Verkäuferin sagte, sie würde sich gerne für ihn erkundigen.
    »Dann brauchen wir einen Freßnapf fürs Büro, außerdem noch eine Leine und diese Plastiksäckchen.«
    »Und Futter?« fragte die Verkäuferin.
    »Ein paar Kekse oder so etwas, damit er sich nicht langweilt. Und bitte denken Sie an den Bobtail. Meine Frau würde sich riesig freuen.«
    »Wollen Sie ein Weibchen oder ein Männchen?«
    »Das muß ich noch überlegen. Die Damen bei mir zu Hause sind gnadenlos in der Überzahl.«
    »Ich rate Ihnen auf jeden Fall, den Hund nur von autorisierten Züchtern zu kaufen. Sonst kommen sie aus dem Ausland oder haben gesundheitliche Schäden. Was heute so alles auf der Straße herumläuft, unfaßbar. Kein Stammbaum! Und oft sind es Ausländer, die schnell krank werden.«
    Laurenti war guter Laune. Die Idee war wirklich gut. Es war höchste Zeit, Laura mit einem ganz besonderen Geschenk zu versöhnen. Doch der letzte Satz der Verkäuferin ging ihm nicht aus dem Kopf. Kliniken, Ausland, der Tote des deutschen Kanzlers und ein kastrierter Arzt. Unmöglich, daß dies alles zusammenhing. Und dann fiel ihm ein, daß er sich nach Tatjana Drakič erkundigen mußte. Wenn er sich recht erinnerte, hatte man sie inzwischen aus dem Knast entlassen. Er rief Marietta an und erfuhr in brummigem Ton, daß eine Zivilbeamtin die Beschattung übernommen hatte. Was die Frauen nur hatten? Živa wollte nicht reden, die Hundefrau konnte nur knurren, und Marietta brummte, daß einem die Ohren schmerzten.
    »Ich will einen schriftlichen Bericht von jeder Schicht«, sagte Laurenti und legte grußlos auf. Mariettas schlechte Laune ging ihm zunehmend auf die Nerven.
     
    Proteo Laurenti überquerte die Piazza Unità und blieb vor dem Rathaus stehen. Schon wieder wurde das neue Pflaster des Platzes aufgerissen. Erst vor einem guten Jahr war die zum Meer hin offene Piazza

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