Tod Auf Der Warteliste
Billigsärgen aus der Ukraine für Deutschland aus dem Verkehr gezogen worden. Bei der täglichen Griechenland-Verbindung der Anek Lines von Igoumenitsa wurden hingegen die Passagiere besonders scharf überprüft, und die Fährlinie aus Durrazzo wurde immer wieder von Albanern in Begleitung von Kindern genutzt, die sie als ihre eigenen ausgaben und illegal ins Land zu bringen versuchten. Die Armut hatte Märkte des Elends geschaffen. Selbst der Kinderschmuggel war inzwischen ein lukrativer Geschäftszweig geworden. Nach der Einreise wurden sie weiterverkauft und versklavt. Die Kleinsten waren für die illegale Adoption vorgesehen, und ihre neuen Eltern glaubten fest daran, daß sie ein Glück für die Kinder waren. Die Älteren zwang man zum Betteln, die größeren Geschwister wurden in der Landarbeit ausgebeutet, andere zu Opfern der Pädophilen gemacht oder auf den Straßenstrich geschickt, und selbst die systematische Ausschlachtung als Organ-Ersatzteillager wurde inzwischen von den Ermittlern in Erwägung gezogen. Die Funde von klassischem Schmuggelgut am Molo V, dem Türkei-Terminal, waren vergleichsweise harmlos. Was bedeuteten schon Zigaretten, Waffen, Drogen oder gefälschte Markenware gegen systematischen Menschenhandel.
Dimitrescu wurde während der Überfahrt gut und gesund ernährt. Kurz vor Triest aber mußte er seine bequeme Kabine verlassen und in den Auflieger eines Sattelschleppers klettern. Für ihn war ein Hohlraum zwischen dem Frachtgut ausgespart, in dem er sich bis zur Ankunft still verhalten mußte. Einen halben Tag könne das durchaus dauern, hatten die Männer auf dem Schiff gesagt, und er solle sich auf keinen Fall rühren, auch wenn der Anhänger geöffnet würde. Er spürte die Vibrationen des Schiffsdiesels, als die Schrauben zum Anlegen gegendrehten, und wenig später hörte er die Zugmaschinen, die herauffuhren und die Auflieger ankoppelten.
Er wußte nicht, wieviel Zeit vergangen war, als er jemanden rufen hörte. Erst nach dem dritten Mal begriff Dimitrescu, daß er aufgefordert wurde, herauszukommen. Der Fahrer griff ihm unter die Arme und half ihm auf die Beine. Unsicher drückte Dimitrescu sich an den Paletten entlang und glitt langsam die Ladekante hinunter auf die Straße. Er stampfte mit den Füßen auf und schlug die Arme zusammen, bis die Zirkulation wieder funktionierte. Es war dunkel, dichter Nebel filterte das Licht der Straßenlaternen. Sie standen auf dem Frachthof einer Spedition.
»Ab hier mußt du alleine weiter«, sagte der türkische Fahrer. Dimitrescu verstand nur den Sinn der Worte. Der Fahrer zeigte auf ein schwarzes Auto, das im Leerlauf und mit abgeschalteten Scheinwerfern vor dem Tor der Spedition stand. Dimitrescu griff nach dem Arm des Fahrers und drehte sein Handgelenk, bis er die Uhr sah. Dann ging er ohne Gruß in die Nacht hinaus.
Neuer Tag, neue Arbeit
»Lestizza hat es nicht gepackt«, sagte Sgubin. »Damit haben wir einen Mordfall.«
»Na endlich«, sagte Laurenti und trommelte nervös mit den Fingern auf die Tischplatte. »Aber was heißt hier wir? Es ist dein Fall.«
»Jawohl, Chef. Um sieben war ich schon wieder in der Klinik und durfte eine halbe Stunde warten, bis die Chefin auftauchte. Reine Zeitverschwendung! Als ich endlich mit dieser arroganten Zicke sprechen durfte, kam nichts dabei raus. Ein ziemlich abgekochtes Stück. Sie wußte natürlich, daß ihr Cousin in der Nacht gestorben war, und trug sogar Schwarz, wie es sich gehört. Aber eigentlich war sie nur darum besorgt, wie sie die Probleme im Klinikablauf lösen könnte. Außerdem hätte sie sowieso nichts zu sagen. Also ließ ich mir die Personalliste geben und fragte nach einem Raum, wo ich mit den Leuten reden konnte. Die Dame war darüber ziemlich ungehalten, wies mir dann aber doch das Besprechungszimmer zu. Es brachte nichts. Keiner von den Ärzten war zu sprechen, weil sie Operationstag hatten, die OP-Schwestern ebenfalls. Damit blieben mir nur die aus der Verwaltung und das Pflegepersonal, das vorwiegend aus Ausländerinnen besteht, die nur schlecht Italienisch sprechen. Pure Zeitverschwendung. Ich lasse aber die Personalien überprüfen und die Aufenthaltsgenehmigungen, man weiß nie.«
»Du mußt etwas über das Leben dieses Arztes herausbekommen, Sgubin. Was er zuvor getan hat, mit wem er ausging, Telefonrechnungen überprüfen, Kreditkarten und der ganze Kram. Marietta hilft dir doch sicher? Und was ist mit den anderen Beamten? Arbeiten sie dir zu, oder machen
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