Tod Auf Der Warteliste
nach ihrer Neugestaltung endlich wieder den Bürgern übergeben worden, und jetzt hackten schon zum zweiten Mal Bauarbeiter Löcher hinein. Zuerst vor Weihnachten, als die neue Stadtregierung in einem Anfall von Gemütlichkeitswahn eine riesige Tanne und eine Krippe mit Plastikfiguren aufstellen ließ. Prompt wurde in der Nacht vor Heiligabend das Schaf gestohlen. Und jetzt das. Bei der Befestigung des roten Teppichs, der für die Staatsgäste ausgelegt worden war, hatte man das Pflaster zerstört. Neugierig wie eh und je hatten sich sofort einige Rentner um die Absperrung versammelt und waren intensiv damit beschäftigt, anderen bei der Arbeit zuzusehen. Es fiel ihm jedesmal auf, wenn seine Wege ihn an den Baustellen im Zentrum vorbeiführten. Diesmal blieb er hinter ihnen stehen und hörte zu. Die Kommentare, im vulgärsten Dialekt geführt, amüsierten ihn. »Nur wegen Berlusconi haben sie unsere schöne Piazza kaputtgemacht. Was müssen die auch auf roten Teppichen laufen, wo doch ohnehin alle Kassen leer sind?« »Wenn jedesmal das Pflaster ausgewechselt werden muß, wenn ein Staatsbesuch kommt, dann haben die Steinbrüche auf dem Karst wieder Arbeit.« »Bush will ja unseren Marmor nicht mehr fürs Weiße Haus einsetzen. Er will nur noch einheimische Ware. Nichts mehr aus Europa.« »Bauen die Amerikaner schon wieder um?«
»Würden Sie den Hund bitte anleinen?« Einer der Stadtpolizisten, die vor dem Rathaus Wache schoben, sprach Laurenti von hinten an.
»Der braucht das nicht.« Er drehte sich nicht einmal um. Er ahnte schon, wer da mit ihm ins Gespräch kommen wollte.
»Es ist Vorschrift.« Die Stimme des Vigile klang, als bedauerte der Mann seine Pflicht.
»Das ist kein Hund«, sagte Laurenti und war entschlossen, ihm eins auszuwischen.
»Ach ja?«
»Das ist ein Kollege.«
Der Vigile stutzte einen Moment und sagte dann gütig: »Das gilt auch für Kollegen.«
»Für den nicht.«
»Trotzdem muß er an die Leine. Es gibt eine Verordnung, die besagt, daß alle Hunde angeleint sein müssen.« Der Vigile holte seinen Block hervor. »Zweiundachtzig Euro, wenn Sie den Hund nicht umgehend anleinen.«
»Ich sagte doch schon, das ist kein Hund.«
»Was ist es dann?«
»Auf jeden Fall kein Hund.«
»Er sieht aber wie ein Hund aus«, sagte der Vigile, der Cluzot nun aus der Nähe betrachtete. »Deshalb müssen Sie ihn anleinen.«
»Er ist aber ein Kollege. In Zivil. Er braucht das nicht.«
»Zeigen Sie mir bitte Ihren Personalausweis!« Der Stadtpolizist verlor langsam die Geduld. Endlich bekam er Unterstützung von einem Kollegen, der bisher auf der anderen Seite der Absperrung gestanden hatte.
»Den habe ich im Büro gelassen«, sagte Laurenti.
»Wo ist Ihr Büro?«
»Ganz nahe. Gleich hinter dem Ghetto.«
»Dann begleiten wir Sie.«
»Wenn Sie wollen. Bitte sehr.« Laurenti ging los. »Tut mir leid, wenn ich Ihnen Umstände mache. Sie haben sicher viel zu tun«, sagte er.
»Wo arbeiten Sie?«
»In der Questura. Ich bin der Vizequestore.«
»Schöner Beruf. Und wie, sagten Sie, heißt der Hund?« Der Vigile gab seinem Kollegen mit einer Handbewegung zu verstehen, was er von Laurenti hielt.
»Cluzot.«
»Wie der Inspektor?«
»Genau. Ich sagte doch, er ist ein Kollege. Aber er ist eigentlich schon pensioniert. Und er wollte wie die anderen Rentner einfach nur die Baustelle anschauen.«
»Sind Sie schon lange Polizist?«
»Solange ich denken kann. In diesem Jahr werden es fünfundzwanzig Jahre, daß ich in Triest Dienst schiebe. Merkwürdige Stadt. Voller Bekloppter.«
Sie kamen am Antiquitätengeschäft einer Freundin Lauras vorbei, die soeben ihren Laden aufschloß. »Seit wann hast du einen Hund, Commissario?« rief die Frau und lachte freundlich.
»Nettes Tier, nicht wahr? Ich erzähl’s dir später. Die beiden Herren hier wollen mich verhaften.«
»Na endlich! Das war schon lange fällig.« Sie winkte ihm fröhlich nach.
Vor dem Eingang der Questura stand ein Krankenwagen, an dem zwei Sanitäter in roten Windjacken lehnten. Sie gingen auf Laurenti zu, als einer der beiden Vigile ein Handzeichen gab. Er hatte nicht bemerkt, daß seine Begleiter sie angefordert hatten.
»Ist es der da?«
Der Vigile nickte.
»Ist mit Ihnen alles in Ordnung?« fragte der Sanitäter.
»Danke, ich hoffe, mit Ihnen auch.« Laurenti begann das Spiel zu genießen. »Schöner Tag heute. Es ist schön zu spüren, daß der Frühling kommt.«
»Darf ich mal Ihren Puls fühlen?«
»Bitte sehr.« Laurenti
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