Tod Auf Der Warteliste
schloß sich die Stahltür, die das Grundstück mit eigenem Hubschrauberlandeplatz vor ungebetenen Besuchern schützte. An diesem Nachmittag herrschte viel Verkehr auf der Auffahrt zu Petrovacs Residenz. Unzählige schwere Wagen mit verdunkelten Fenstern fuhren herein und hinaus. Die meisten waren leer. Es ging darum, den Behörden Arbeit zu machen und Verwirrung zu stiften – und ihnen zu zeigen, daß ihm, Jože Petrovac, niemand wirklich etwas anhaben konnte.
»Du siehst schlecht aus, Viktor«, sagte er endlich, als er mit einem Glas Whisky in der Hand vor dem Kaminfeuer saß und sein Stellvertreter seinen Bericht abgeschlossen hatte. »Dabei ist eigentlich nichts Aufregendes passiert. Mich braucht es ja fast nicht mehr. Die Geschäfte scheinen unter meiner Abwesenheit nicht gelitten zu haben. Gut gemacht.«
Drakič lächelte gequält. Er wußte, daß Petrovac sich seiner Bedeutung ganz genau bewußt war. »Es ist diese alte Sache. Der Aufprall damals. Die Nieren, die andauernde Dialyse und die Verbrennungen. Heute ist ein schwieriger Tag. Ich bin ziemlich angeschlagen.«
»In ein paar Tagen hast du es hinter dir, Viktor. Du wirst sehen, daß es dir schnell bessergeht. Und dann nimmst du lange Urlaub, irgendwo in der Wärme. Malediven, Bahamas, Seychellen. Wo es dir gefällt. Du hast ihn dir verdient, und dein Platz hier ist dir sicher. Du hast viel für mich getan. Ich bin dir einiges schuldig.«
Drakič winkte müde ab.
»Die Reise steht fest. Sie ist sicher, aber sie dauert ein bißchen. Den Hubschrauber haben wir ja leider nicht mehr, aber er wäre auch zu auffällig. Die erste Strecke fährst du mit dem Wagen, danach geht’s weiter übers Meer. Einmal mußt du das Schiff wechseln. Schaffst du das?«
»Natürlich. Aber ich brauche das ambulante Dialyse-Zeug.« Drakič war breitschultrig und groß. Er trug kurzgeschnittenes schwarzes Haar, das das kantige Kinn betonte, und war dunkel gebräunt. Es war ihm nicht anzusehen, daß er schwer krank war. Nur die Verbrennungen, die sich vom linken Wangenbein hinab über den Hals erstreckten und dann unter seinem Hemd verschwanden, ließen ihn unheimlich wirken. Diese Verletzungen konnten auch die täglichen Bestrahlungen im Solarium nicht überdecken. »Ich würde für die Operation lieber nach Istanbul oder nach Deutschland fahren«, sagte er.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte Petrovac und nahm einen Schluck Whisky. »Wo ich dich hinschicke, bist du am besten aufgehoben. Und sicher!«
»Meine Schwester wurde vor einigen Tagen entlassen, Jože. Ich möchte, daß du etwas für sie tust. Sie braucht Geld und muß untertauchen. Hol sie rüber.«
»Ich kümmere mich morgen darum. Auch darauf kannst du dich verlassen.«
*
Laurenti hatte sich jede Woche einmal bei dem Sicherheitsbeamten im Innenministerium gemeldet, den er bei dem ärgerlichen Zwischenfall während des Staatsbesuchs kennengelernt hatte. Der Mann hatte sich am Ende als sympathisch und kollegial erwiesen und machte nicht einmal besonderen Druck. Er wollte lediglich über den Verlauf der Ermittlungen unterrichtet werden, selbst dann, wenn sie keinen Fortschritt machten, wie er sagte. Auch er mußte weiter nach oben berichten, und kurze Drähte zu den wichtigen Personen in der Hauptstadt schadeten nie.
»Übermorgen sind es drei Wochen«, sagte Laurenti, »daß die Sache passiert ist, und wir haben immer noch nichts außer dem Obduktionsergebnis und der Vermessung der Bißspuren. Vermutlich ein Südosteuropäer und vermutlich ein Wachhund von großer Statur. Die Operationsschürze und die Gummischuhe sind Massenware und werden im ganzen Land verwendet.«
»Haben Sie inzwischen Antwort aus Slowenien erhalten?« fragte der Mann in Rom.
»Ja, natürlich. Weder in den Krankenhäusern von Nuova Gorizia noch in Capodistria oder Pola kannte man ihn. Auch aus Ljubljana gab es keinen positiven Bescheid. Die slowenischen Kollegen haben dafür gesorgt, daß auch bei ihnen das Bild über das Fernsehen ausgestrahlt wurde. Nichts.« Natürlich wäre es möglich gewesen, daß der junge Mann von der anderen Seite der Grenze herübergekommen war. Aber mit der Nachricht der Slowenen erlosch auch diese Möglichkeit, und Kroatien war zu fern.
Der Mann im Innenministerium hörte geduldig zu.
»Selbst die Passagierschiffe, die hier anlandeten, und auch die von der Marine haben wir befragt. Einfach nichts! Und die Gerichtsmedizin drängelt. Sie will den Leichnam loswerden.«
»Geben Sie ihn zur Bestattung
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