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Tod Auf Der Warteliste

Tod Auf Der Warteliste

Titel: Tod Auf Der Warteliste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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sich genüßlich im Stuhl zurück und legte die Beine auf den Tisch. »Ich bin ein bißchen müde, aber es geht mir sehr gut, obwohl ich kaum geschlafen habe.«
    »Ich war kurz im Büro und dann einkaufen. Der Staatssekretär kommt in einer Stunde wegen des Caravaggio. Übermorgen wird das Bild in Venedig von einer Expertenkommission begutachtet. Ich bin auch dabei.«
    »Paß auf, daß der Staatssekretär dir nicht zu nahe kommt. Du weißt, er steht auf blonde Frauen.«
    »Aber ich nicht auf ihn. Am Freitag kommen auch Patrizia und deine Mutter an. Ich weiß nicht, wann ich zurück sein werde. Kannst du sie abholen?«
    »Wann?«
    »Fünfzehn Uhr zehn, wenn der Zug keine Verspätung hat.«
    »Verdammt, das wird eng. Können sie kein Taxi nehmen?«
    »Das ist kein netter Empfang, Proteo. Sie kommen zum ersten Mal ins neue Haus. Schaffst du’s wirklich nicht?«
    Er atmete tief durch. »Im Zweifel müssen sie in der Stadt warten. Schick sie in eines der Kaffeehäuser hier um die Ecke.«
    Komplikationen. Gestern hatte er sich mit Živa Ravno für Freitag verabredet und würde dabei seine Mittagspause ohnehin überstrapazieren. Das konnte er jetzt unmöglich absagen, auch wenn er sich schon seit Tagen auf den Besuch seiner Lieblingstochter freute. Auch auf seine Mutter freute er sich, auch auf Laura – und auch auf Živa. Zu viele Frauen in seinem Leben. Er trommelte so aufgeregt mit den Fingern auf die Schreibtischplatte, daß Cluzot, der wie narkotisiert neben der Heizung gelegen hatte, seinen Kopf hob und ihm einen fragenden Blick zuwarf.
    »Wann kommst du heute abend nach Hause?«
    »Keine Ahnung, warum?«
    »In Prepotto hat Zidarich die Osmizza wieder geöffnet. Sie hat dir doch immer gefallen. Und ich habe vorhin den Schweizer getroffen, er kommt mit.«
    Schon als sie in der Stadt wohnten, machten Proteo und Laura gerne Streifzüge in die Wirtsräume der Weinbauern, die leicht zu finden waren, wenn man den Zweigen mit dem roten Holzpfeil folgte, die an den Kreuzungen überall auf dem Karst den Weg wiesen. Es war ein Dekret Josephs II. von 1784, das den Winzern erlaubte, für acht Tage ihren eigenen Wein direkt und steuerfrei zu verkaufen. Heute hatten sie einen Monat oder länger geöffnet. Hier im zweisprachigen Grenzgebiet leitete sich der Name von der slowenischen Zahl Osem, Acht, ab. Besenwirtschaft, Straußwirtschaft, Buschenschanke, Osmizza, Frasca – an diesen Namen erkannte man, wie weit sich einst die Macht der Habsburger erstreckte. Diese Kneipen, in denen man zum hausgemachten Wein gekochten Schinken mit frisch geriebenem Kren oder wilden Fenchelblüten, Salami, Käse, hartgekochte Eier und andere Kleinigkeiten zu essen bekam, waren gern besuchte Ausflugsziele der Triestiner. Für die Laurentis zählten die von Benjamin Zidarich und die seines Nachbarn Boris Škerk zu den schönsten im Umkreis. Und der März war der Monat von Zidarich.
    »Der Schweizer wird allmählich anhänglich. Selbst die Gruselgeschichten des Doktors können ihn nicht vertreiben«, sagte Laurenti. »Ich rufe dich am Nachmittag an, wenn ich weiß, wie es aussieht. Falls es später wird, könnt ihr ja vorausfahren.«
     
    *
     
     
    Um elf Uhr verabschiedete sich Jože Petrovac mit Handschlag von seinen Wärtern im Gefängnis vor den Toren Zagrebs und steckte jedem von ihnen einen Fünfzig-Euro-Schein zu, wie es sich in seinen Kreisen gehörte. Man wußte ja nie. Dem Direktor klopfte er lediglich auf die Schulter, als wäre der bereits versorgt. Sein Anwalt erwartete ihn am Ausgang und brachte ihn zu einem schwarzen Mercedes. Sie fuhren zuerst ins Zentrum und besuchten zwei Bars sowie einige Geschäfte. Nach fast einem Jahr in Untersuchungshaft hatte Petrovac das dringende Bedürfnis, sich neu einzukleiden und im Zentrum spazierenzugehen. Er war guter Laune und begrüßte viele der Ladeninhaber mit Handschlag.
    Natürlich hatte man zwei Zivilpolizisten auf ihn angesetzt. Er erkannte sie auf den ersten Blick, scherte sich aber nicht weiter um diesen unerwünschten Begleitschutz. Zum Scherz ging er in ein Geschäft mit Mobiltelefonen und kaufte sich zwei neue Geräte. Als er wieder herauskam, warf er die neuen Telefonkarten vor den Augen seiner Schatten demonstrativ auf die Straße und zertrat sie. Klar, daß er damit nicht telefonieren würde, solange es Karten aus dem Ausland gab, deren Nummern sie nicht kannten.
    Nach dem Mittagessen ließ er sich in seine abgeschirmte Villa in einem der Außenbezirke fahren. Vor seinen Bewachern

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