Tod Auf Der Warteliste
Klinik hat einen exzellenten Ruf.«
»An dieser Frau ist doch überhaupt nichts echt. Auf den ersten Blick sieht sie aus wie Ende Dreißig. Was meinst du, wie alt sie wirklich ist?«
»Mitte Fünfzig, schätze ich. Ihre Hände sprechen die Wahrheit, trotz des ganzen Paraffin-Krams.«
»Wir haben doch für solche Scherze kein Geld.«
»Ich würde meine Mutter fragen, ob sie mir die Operation zum Geburtstag schenkt.«
»Willst du etwa aussehen wie Michael Jackson?« Proteo Laurenti schauderte.
Als sie nach Hause kamen, tranken sie vor dem Kaminfeuer noch einen Whisky, und irgendwann gelang es Proteo, seine Frau davon zu überzeugen, daß er sie begehrte, wie sie war.
Der Hund verzog sich diskret in seinen Korb im Flur.
*
Sie waren also immer noch hinter ihm her, und offenbar wußten sie besser über ihn Bescheid, als er vermutet hatte. Als Lorenzo Ramses Frei um zwölf Uhr dreißig mit der Maschine aus München ankam und hinter einer Gruppe Reisender zum Parkplatz ging, erkannte er den weißen Fiat Uno von weitem, obwohl Millionen Kleinwagen dieser Art im Land herumfuhren. Bei diesem jedoch lief eine lange Kratzspur vom vorderen Kotflügel bis zur Hecktür. Ramses suchte Deckung hinter einem parkenden Wagen. Zwei Männer saßen in dem Fiat. Ausgeschlossen, daß jemand im Flughafen auf ihn gewartet hatte, denn er war unter den ersten Fluggästen, die aus dem Gate kamen, und einen Aufpasser hätte er ohne weiteres bemerkt. Zuerst fluchte er über die fünfköpfige Familie, die mit zwei Gepäckwagen voller Koffer den Weg blockierte, doch jetzt war er dankbar dafür. Seine Verfolger konnten von der Position vor der Ausfahrt des bewachten Parkplatzes sowohl seinen Peugeot als auch die Kasse sehen, nicht aber die Ankommenden. Ramses ging ins Flughafengebäude zurück und zum Schalter einer Autovermietung, die er bisher noch nie in Anspruch genommen hatte. Kurz darauf fuhr er in einem Opel Corsa ungesehen davon und bog wenig später von der Autobahn auf die Küstenstraße ab. Jedesmal, wenn er an diese Stelle kam, freute er sich, das Meer und die Muschelbänke unter der Steilküste in der Sonne schillern zu sehen. Als er den Wagen unterhalb des Möwennests geparkt hatte und ausstieg, hupte es hinter ihm. Laura stieg mit zwei prallen Einkaufstüten aus ihrem Wagen.
»Hast du ein neues Auto?« fragte sie und ging ihm entgegen.
»Nur geliehen, meiner ist zur Inspektion in der Werkstatt.«
»Du warst verreist?« Sie zeigte auf seine Reisetasche. »Ich wollte dich gestern nachmittag auf einen Tee einladen, aber niemand ging ans Telefon.«
»Ich mußte kurz nach Paris zu meinem Verleger.«
»Wegen des neuen Buchs? Bist du fertig?«
»Ach was, lange nicht. Nur wegen eines Vorschusses. Wir Autoren leiden ständig unter Geldmangel.«
»So siehst du gar nicht aus. Komm doch nachher auf ein Glas vorbei. Ich weiß nicht, wann Proteo nach Hause kommt.«
»Laß mich erst mal ankommen. Ich rufe dann später an.«
Diese Frau war verdammt attraktiv, dachte Ramses, als er die Treppe zum Haus hinaufstieg. Heute schien sie vor Energie geradezu zu bersten. Warum mußte sie mit einem Polizisten verheiratet sein? Da gab es doch Besseres auf der Welt.
Im Keller roch es süßlich. Er kannte diesen Geruch und brauchte nicht lange, bis er die Ursache gefunden hatte. Mit einem Besen fegte er die tote, halbverweste Ratte, an der sich ein kleiner Skorpion delektierte, auf eine Schaufel. Er trug sie hinaus und schleuderte sie weit über die Grundstücksgrenze in die Wildnis. Er stellte die Schaufel zurück, zog zwei Ordner aus einem Regal und tastete dahinter nach einem versteckten Plastikbeutel.
Er hatte die Waffe noch nie benutzt. Es war eine schallgedämpfte Pistole aus Schweizer Armeebeständen, die er vor vielen Jahren von einem Hehler im 18. Arrondissement erstanden hatte. Weiß der Teufel, wie sie dahin gefunden hatte. Angeblich war sie jungfräulich, doch Ramses erkannte auf den ersten Blick, daß die Seriennummer ausgefräst war. Es behagte ihm nicht besonders, sie zu besitzen, auch wenn ihm der Waffentyp noch von seinem Militärdienst vertraut war. Einer seiner Freunde hatte ihm geraten, auf der Hut sein. Bei den Themen, die er anfaßte, sei es immer besser, irgendwo einen »Notausgang« zu deponieren, als plötzlich dumm dazustehen, wenn es darauf ankomme. Er haßte die Waffe und die Erinnerung an den Militärdienst. Er hatte Angst davor, sie in Händen zu halten, und Angst vor dem Gedanken, sich nicht beherrschen
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