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Tod den Unsterblichen

Tod den Unsterblichen

Titel: Tod den Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl
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hineinspähte, ihn anlächelte. Es geschehen doch immer wieder Wunder, dachte der Proktor und sagte verlegen: »Master Cornut, es ist acht Uhr.«
    Cornut zog die Decke über Locilles nackte Schultern. »Raus«, sagte er.
    Die Tür schloß sich, und einer von Locilles rosa Pantöffelchen klatschte leise dagegen. Sie hob den zweiten, um ihn hinterher zu werfen. Leise lachend fiel ihr Cornut in den Arm; sie drehte sich, kaum lachend, zu ihm um, küßte ihn und sprang zurück. »Und bleib wach«, warnte sie. »Ich muß zur Vorlesung.« Cornut lehnte sich in die Kissen zurück.
    Ein schöner Morgen, dachte er, und vielleicht in gewisser Hinsicht eine schöne Welt! Es war einfach erstaunlich, wie viele Farbtönungen und Helligkeitsnuancen es auf der Welt gab, die er nie geahnt oder längst vergessen hatte. Er beobachtete das Mädchen, diesen verwunderlichen Teil seines Lebens, dieses spur- und nahtlos angesetzte Segment, das ihm bisher bewußt nie gefehlt hatte. Sie lief leichtfüßig im Zimmer herum und warf ihm von Zeit zu Zeit einen Blick zu; und daß sie nicht wie ein grinsender Affe lächelte, lag natürlich nur daran, daß es in diesem Augenblick keines Lächelns bedurfte.
    Cornut war an diesem Morgen ein höchst zufriedener Mann. Schnell zog sie sich an, viel zu schnell. »Du scheinst«, sagte Cornut, »große Eile zu haben, von hier fortzukommen.« Locille ging zu ihm und setzte sich auf den Rand des Bettes. Sogar in ihrer Uniform war sie schön. Noch so etwas Erstaunliches. Wie das Wissen, daß ein Kelch unter der Glasur aus reinstem Gold ist; die Farben waren dieselben, das Dekor war dasselbe; aber plötzlich war aus der Massenware ein Kunstwerk geworden, einfach durch das Wissen, wieviel Anmut sich darin verbarg. Sie sagte: »Nur weil ich große Eile habe wiederzukommen.« Sie sah ihn nochmals an und sagte fragend: »Du wirst mir doch nicht wieder einschlafen?«
    »Natürlich nicht.« Sie runzelte leicht die Stirn, wie er liebevoll beobachtete; dabei fiel ihm der Grund ein, aus dem er sich in erster Linie eine Gefährtin gesucht hatte; jener alte Grund.
    »Also gut.« Sie küßte ihn, stand auf, fand ihre Tasche, die sie auf einen Stuhl gelegt hatte, und ihre Bücher. Sie leierte leise vor sich hin: »Wenn man die zweiten, dritten, fünften Zahlen streicht, hat man das Sieb des Eratosthenes erreicht! Vielfach muß man … Cornut, schläfst du auch bestimmt nicht wieder ein?«
    »Bestimmt nicht.«
    Sie nickte, zögerte, eine Hand auf der Klinke. Sie sagte zweifelnd: »Vielleicht solltest du lieber eine Wachhaltetablette nehmen. Tust du das?«
    »Ja«, sagte er und freute sich darüber, drangsaliert zu werden.
    »Und du solltest dich lieber in ein paar Minuten anziehen. Du hast nur noch eine halbe Stunde bis zu deiner ersten Vorlesung …«
    »Ich weiß.«
    »Also gut.« Sie warf ihm einen Handkuß und ein Lächeln zu und war verschwunden.
    Und das Zimmer war sehr leer. Aber nicht so leer, wie es bisher an allen Tagen und in allen Nächten gewesen war. Pflichtbewußt stand Cornut auf, fand die Schachtel mit den roten und grünen schlafregelnden Tabletten, schluckte eine und kehrte ins Bett zurück; er hatte sich in seinem ganzen Leben nie wohler gefühlt.
    Er lehnte sich wieder gegen das Kissen, völlig entspannt und friedlich. Er hatte sich einen Wecker gekauft, der sich als eine Frau entpuppte. Er lächelte die niedrige cremefarbene Decke an und streckte sich aus und gähnte.
    Was für ein phantastisches Geschäft! Was für ein vollkommener Wecker!
    Das ermahnte ihn, und er schaute auf seine Uhr, aber er hatte sie abgelegt, und die Wanduhr hing außerhalb seines Gesichtswinkels. Ach, macht nichts; die Wachhaltetablette würde ihn schon davor bewahren, wieder einzuschlafen. Es war allgemein bekannt, daß die Wachhaltetablette die Zeit schneller verstreichen ließ. Er hatte das Gefühl, schon eine halbe Stunde hier zu liegen, dabei konnten es höchstens fünf Minuten sein; so wirkten sie.
    Dennoch …
    Er kramte in der kleinen unterteilten Schachtel; zum Glück ließen sie sich leicht herausnehmen; noch eine Tablette – doppelt gemoppelt hält besser.
    Er schluckte sie, lehnte sich wieder zurück und gähnte. Da war etwas an dem Kissen, dachte er …
    Er drehte den Kopf um, schnupperte, atmete tief ein. Ja, da war Locille an dem Kissen, das war es. Locille, die ihren Duft darauf zurückgelassen hatte. Der schöne Duft von Locille, ein schöner Name. Ein schönes Mädchen. Er ertappte sich dabei, daß er wieder

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