Tod den Unsterblichen
klassischen Fakten und Definitionen genausogut wissen, wie er weiß, daß der Februar achtundzwanzig Tage hat, und zwar mit Hilfe der gleichen Methode. Durch Mnemotechnik! Ich kann dir versichern, daß du nie ein erstklassiger Mathematiker wirst, wenn du Vorlesungen schwänzt.«
»Ja, Sir. Das ist es ja. Ich möchte umsatteln. Sobald ich aus Südamerika zurück bin, wenn es Ihnen recht ist, Sir.«
Master Carl war völlig entsetzt.
Das hier war keine Frage der Disziplin, das erkannte er sofort. Carl betrachtete Egerds Abwendung von der Mathematik nicht als großen Verlust für die Mathematik. Aber er empfand Mitleid mit dem Junge selbst. »So. Und auf was willst du umsatteln?«
»Auf Medizin, Sir. Ich habe mich dazu entschlossen.« Er fügte hinzu: »Sie werden sicher verstehen, warum, Master Carl. Ich bin nicht besonders begabt für diese Sache hier.«
Carl verstand es nicht, würde es nie verstehen. Er war jedoch schon vor langem zu dem Schluß gekommen, daß es bei seinen Studenten Dinge gab, die man nicht zu verstehen brauchte. Seine Studenten zeigten viele Facetten; ihn interessierte nur eine. Sie waren wie jene Papiermuster, mit denen die schwachköpfigen Topologiestudenten spielten, Hexahexaflexagons, Konstruktionen, die bei jedem Knick neue Seiten in verblüffender Vielfalt zeigten. Er sagte betrübt: »Also gut, ich werde deinen Abgang unterschreiben.« Sein Blick wurde finster, als er sah, daß Egerd ihm das bereits ausgefüllte Formular reichte; dieser Junge war übertrieben eifrig.
Die Tür öffnete sich nochmals.
Master Carl hielt, die Feder in der Hand, inne. »Was ist denn jetzt schon wieder?« Er erkannte den Mann – vage –, es war dieser aufdringliche Kerl von den Freien Künsten. Der Name war ihm entfallen, aber er war ein Sexautor. Und außerdem ganz aufgeregt.
Der Mann sagte: »Entschuldigung. Es tut mir leid. Mein Name ist Farley. Ich bin Master Cornuts …«
»Sie sind ein Sexautor. Dagegen habe ich nichts. Aber ich habe etwas dagegen, in meinem Privatleben gestört zu werden.« Obwohl das auch nicht ganz stimmte. Master Carl war prüde genug, um zu spüren, daß die privaten Beziehungen zwischen Männern und Frauen nicht von den Schriften der Sexautoren oder der, wie sie früher genannt wurden, Eheberater inspiriert werden sollten. Er hätte nie einen engagiert, und er ärgerte sich über Cornut.
Wie sich herausstellte, hätte auch Cornut das nie getan. »Ich war ein Hochzeitsgeschenk«, erklärte Farley, »und deshalb suchte ich heute morgen Cornut mit einem Dreißig-Tage-Entwurf auf. Ich benutze keine Standardmodelle; ich glaube an individuelle Beratung. Deshalb hielt ich es für ratsam, den männlichen Partner unverzüglich zu interviewen, denn, wie Sie wissen …«
Egerd schaltete sich verzweifelt ein: »Master Carl. Bitte unterschreiben Sie meinen Wechsel.«
Der Ausdruck seiner Augen war beredter als seine Worte. Das Flexagon zeigte eine andere Seite, und diesmal konnte Carl das Muster erkennen. Er nickte und schrieb seinen Namen unter den Wisch. Es war völlig klar, daß Egerds Gründe, aus der Nähe von Locille und Master Cornut zu gelangen, kaum etwas mit seiner mathematischen Begabung zu tun hatten.
Aber der Sexautor ließ sich nicht zum Schweigen bringen. »Wo steckt denn der weibliche Partner, Master Carl?« fragte er. »Sie haben mir gesagt, sie wäre hier …«
»Locille? Natürlich.« Ein schrecklicher Gedanke kam Carl in den Sinn. »Wollen Sie damit sagen, daß wieder etwas passiert ist? Als Sie Cornut aufsuchten, war er …«
»Bewußtlos, ja. Fast tot. Inzwischen wurde ihm der Magen ausgepumpt; sie glauben, daß er wieder hochkommt.«
Als sie Cornuts Zimmer erreichten, betrachtete der Arzt ein Blutbild, das das tragbare Diagnostikon entwickelt hatte. Cornut selbst war noch bewußtlos. Der Arzt beruhigte ihn. »Zwar knapp, aber diesmal hat er es nicht geschafft. Das wievielte Mal war es, sein fünfzehntes? Der Rekord ist …«
Carl unterbrach ihn frostig. »Können Sie ihn wecken? Gut. Dann tun Sie es.«
Der Arzt zuckte die Schultern und kramte eine Überdruck-Spritze heraus. Er steckte den Kolben in die Röhre; ein feines Sprühen wurde sichtbar und schwebte über Cornuts unverletzter Haut. Dann fanden die winzigen Tropfen ihren Weg durch Derma und Epidermis und subkutanes Fett, und kurz danach setzte Cornut sich auf. Er sagte klar und deutlich: »Ich hatte einen ganz verrückten Traum.«
Und dann erblickte er Locille, und sein Gesicht strahlte. Das war
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