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Tod den Unsterblichen

Tod den Unsterblichen

Titel: Tod den Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl
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aber er blieb über das Geländer gebeugt und starrte noch eine Weile vor sich hin. Als er sich umdrehte, hatte er das gequälte Gesicht eines Verdammten.
    »Verzeihung. Vielen Dank.«
    Locille sagte leise: »Aber ich habe doch gar nichts getan.«
    »Doch, natürlich. Du hast mich geweckt …«
    Sie schüttelte den Kopf. »Du weißt, daß du es ganz allein getan hast. Ja, das hast du.«
    Er sah sie erst irritiert, dann zweifelnd an. Und endlich sah er sie mit aufkeimender Hoffnung an.
     

 
8.
     
    Die Feierlichkeit war sehr schlicht. Master Carl traute sie. Nach einem kleinen Festessen wurden Locille und Cornut, dank der amtlichen Autorität eines Hausmasters nun Mann und Frau, allein gelassen.
    Sie gingen in Cornuts Zimmer.
    »Du solltest dich lieber ausruhen«, sagte Locille.
    »Also gut.« Er legte sich auf das Bett und beobachtete sie. Er war sich ihrer Gegenwart sehr bewußt, während sie lernte oder fraulich in seinem Zimmer herumwirtschaftete – nein. In ihrem Zimmer. Sie war so unauffällig, wie es ein Wesen aus Fleisch und Blut nur sein konnte, huschte hin und her. Aber sie hätte ebenso von Neonlicht angestrahlt sein oder wie eine Sirene heulen können, so sehr lenkte sie ihn ab.
    Er stand auf und rekelte sich, ohne sie anzuschauen. Sie sagte fragend: »Es ist Zeit zum Schlafen, nicht wahr?«
    Er zauderte. »So?« Aber die Uhr bejahte es; er hatte tagsüber geschlafen. »Na schön«, sagte er, als wäre es eine Nebensächlichkeit und nichts Welterschütterndes. »Ja, es ist Zeit zum – Schlafen. Aber ich glaube, ich werde noch etwas auf dem Campus Spazierengehen, Locille. Ich brauche das.«
    »Natürlich.« Sie nickte und wartete höflich und ruhig.
    »Vielleicht komme ich erst zurück, wenn du schon schläfst«, fuhr er fort. »Vielleicht auch nicht. Vielleicht bin ich …« Er stockte. Dann nickte er, räusperte sich, nahm seinen Mantel und ging hinaus.
    Niemand war draußen im Korridor, niemand ließ sich in der Halle blicken.
    Nur der Nachtaufsichts-Roboter machte ein elektronisches Piep, aber das war in Ordnung. Master Cornut war kein Student und brauchte deshalb nicht unter den Suchlichtern auf seinem Bauch hindurchzuschlüpfen. Er hatte das Recht, zu kommen und zu gehen, wann er wollte.
    Er beschloß zu gehen.
     
    Er trat hinaus auf den Campus, still unter dem gelben Mond, die Brücke über seinem Kopf gespenstisch silbrig. Es gab keinen Grund, warum er gefühlsmäßig so angespannt sein sollte. Locille war nur eine Studentin.
    Die Tatsache blieb, er war nervös.
    Warum bloß? Eine Studentin zu heiraten, das war weder für Studenten noch Hochschullehrer etwas Ungewöhnliches; die Sitte sanktionierte es, und außerdem hatte Carl mit der Majestät seiner Stellung als Hausmaster es als erster vorgeschlagen.
    Seltsamerweise mußte er dauernd an Egerd denken.
    Das Gesicht des jungen Egerd hatte einen merkwürdigen Ausdruck gehabt, und vielleicht wurmte ihn das. Master Cornut hatte vor noch nicht so langer Zeit promoviert, daß er die möglichen Gefühle eines Studenten so einfach abtun konnte. Sitte, Privileg, Gesetz hin und her – die Tatsache blieb, daß ein Student oft eifersüchtig auf die Vorrechte eines Masters war. Als Student hatte Cornut selbst kein Verhältnis angeknüpft, in das man sich hätte hineinmischen können. Andere Studenten dagegen wohl. Und zweifellos konnte Egerd auf seine unreife Studentenart eifersüchtig sein.
    Aber was spielte das schon für eine Rolle? Seine Eifersucht konnte nur ihm selbst schaden. Kein Leibeigener, der innerlich gegen die Jus primae noctis seines Herrn tobte, hätte ihn seinen Zorn weniger spüren lassen können als Egerd. Aber irgendwie spürte ihn Cornut doch.
    Er fühlte sich fast schuldbewußt.
    Er war kein Logiker, sein Spezialgebiet war Mathematik. Aber dieser ganze Rechtsbegriff, dachte er, während er das Ufer entlang schlenderte, bedurfte des Studiums. Was die Welt sanktionierte, war klar: Die Rechte der Höhergestellten verdrängten die Rechte der Tiefergestellten, so wie ein Fluoratom den Sauerstoff aus einer Verbindung vertreiben wird. Aber sollte das so sein?
    Es war so – wenn das eine Antwort war.
    Und alle Klassen, alle Privilegien, alle Gesetze schienen auf die Produktion eines einzigen Gebrauchsartikels hinzuarbeiten – auf ein Produkt, das unter allen weltlichen Gütern insofern einmalig ist, als es nie an Nachlieferung fehlt, als die Nachfrage nie ganz befriedigt wird und daß es immer einen Absatzmarkt findet: Babys. Wohin man

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