Tod den Unsterblichen
verrückt«, sagte Locille bekümmert, »nur eben nicht intelligent.«
Cornut hörte ihr kaum zu. Er war dabei, mit dem Gedanken fertig zu werden, daß es hier nicht nur Wachhund oder Liebe gab; hier gab es etwas, womit er nicht gerechnet hatte. Es dauerte zwanzig Minuten, um die restliche Strecke bis zum Texas zurückzulegen, und Cornut grübelte die ganze Zeit über die Tatsache nach, daß er nicht nur eine Bequemlichkeit oder ein Vergnügen auf sich genommen hatte, sondern auch eine Art Verpflichtung.
Der Texas stand dreißig Meter im Wasser, von Sandy Hook aus gerade über dem Horizont. Er bestand aus fünfzehn Morgen Stahldecks auf zwölf Ebenen, die niedrigste davon etwa dreizehn Meter über dem mittleren Hochwasserstand. Es war nicht der Fehler der Texasplaner, daß »der mittlere Hochwasserstand« eine Abstraktion war, der Durchschnittsunterschied zwischen Ebbe und Flut. Der Texas hockte auf Hunderten von Metallbeinen, die bis zu den Grundfelsen im Schlick versanken, und er war eine Zielscheibe der Wellen. Bei Stürmen klatschten die schaumgekrönten Wogen fordernd gegen seinen Unterleib. Bei Gewittern schlug der Blitz bestimmt in das Radargerät auf seinem Turm ein.
Einst waren diese Radargeräte der Grund für das Vorhandensein der Texastürme gewesen. Diese Epoche war vorüber; Satellitenaugen und ionosphärische Forschungsmethoden hatten ihrer Bedeutung ein Ende gemacht. Aber die Welt hatte andere Verwendungszwecke für die Türme gefunden. Sie lotsten die walfischförmigen Unterseeboote der Welthandelsflotte, wenn sie über dem Kontinentalschelf auftauchten, in die Häfen; sie dienten in seichten Gewässern der kreuzenden Fischereiflotte als »Mutterschiffe«. Allein schon an der amerikanischen Küste boten sie mehreren Zehnmillionen Unterkunft. Sie boten lästigen Industrien Raum – Industrien, die stanken oder laut oder gefährlich waren.
Energie war auf einem Texas so gut wie gratis. Jedes hohle Bein war am unteren Teil durchbrochen. Die vorbeirauschenden Wellen komprimierten die Luft in den Säulen und preßten sie durch ein Klappventil in einen Drucktank. Beim Öffnen der Ablaßventile surrten die pneumatischen Turbinen, und von dort bezogen die Beleuchtungsanlagen und Industrien des Texas ihren Strom. Bei »gutem« Wetter – wenn die Wellen wühlten und tosten – war Energie zum Schmelzen von Aluminium vorhanden; die Erzschiffe, die das Rohmaterial löschten, nahmen die Schlacke mit und schütteten sie in Sichtweite des Texas in die unerschöpfliche Abfallgrube des Ozeans. Bei »schlechtem« Wetter – wenn der Atlantik spiegelglatt war – wurde die Aluminiumherstellung eine Zeitlang eingestellt. Aber das Wetter war nie lange wirklich »schlecht«.
Locilles Eltern und Bruder lebten in einer Drei-Zimmer-Wohnung in der Wohngegend des Texas. Sie lag auf der Leeseite des Fischereidistrikts, möglichst weit ab von der Aluminiumraffinerie und sechs Ebenen über den Generatoren. Cornut fand es hier gräßlich. Es stank und war laut.
Locille hatte Geschenke mitgebracht. Eine Krawatte für ihren Vater, irgendwelche Kosmetika für ihre Mutter und für Roger, wie Cornut zu seinem Erstaunen sah, eine der Fahnen, die die Eingeborenen bei sich gehabt hatten. Es war Cornut nie in den Sinn gekommen, daß man Geschenke mitbringen sollte, geschweige denn so teure Geschenke wie irgendeine Eingeborenenarbeit; diese Dinge waren sehr gefragt als Gesprächsstoff. Aber er war dankbar darüber. Auch hier war die Fahne ein Gesprächsstoff, und er brauchte einen. Locilles Mutter trug Kaffee und Kuchen auf, und Cornut unterhielt sie mit seiner Südseereise.
Freilich erwähnte er nicht seine Bewußtlosigkeit am Straßenrand; und er konnte den Blick nicht von Roger abwenden.
Locilles Bruder war ein hünenhafter junger Mann, größer als Cornut, mit einem freundlichen Ausdruck und stumpfen Augen. Ihm wurde kein Kaffee angeboten, und den Kuchen lehnte er ab; er saß da, betrachtete Cornut, befühlte den verschlissenen Stoff seines Geschenks, roch sogar daran, rieb ihn an sein Gesicht. Cornut fand ihn verwirrend. Außer den Ureinwohnern und einer Handvoll klinischer Fälle zur Untersuchung gab es auf dem Campus keinen einzigen Menschen mit einem I.Q. unter hundertvierzig, und Cornut hatte keinerlei Erfahrung mit Schwachsinnigen. Der Junge konnte sprechen – tat es aber meistens nicht – und verzog, obwohl er zu verstehen schien, was Cornut sagte, niemals die Miene.
Das lag daran, daß Roger sich nicht besonders
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