Tod den Unsterblichen
immer wieder auftretenden Keloiden, der kahlköpfige dicke Schwarze, der als Sklave auf den Landgütern des königlichen Gouverneurs von Virginia geboren wurde. Weder Hautfarbe, Rasse noch Alter spielten bei ihnen eine Rolle; nur die Macht zählte. Sie waren die Stärksten der Welt, was sie bewiesen, indem sie die Schwachen töteten.
Sie waren freilich Feiglinge. Wie Wildgänse zogen sie in bessere Klimata, zu Beginn des 20. Jahrhunderts weg von Europa, während der Atombombenversuche in den neunzehnhundertfünfziger Jahren weg vom Pazifik. Sie verließen den Mittleren Osten längst vor den arabisch-israelischen Zusammenstößen, und keiner von ihnen hatte seit der Zeit der Kaiserin-Witwe China besucht. Keiner hatte ein Erdbeben oder einen Vulkanausbruch aus der Nähe mitangesehen – jedenfalls nicht, nachdem sie erkannt hatten, was sie waren; und jeder von ihnen hatte sich in seinem ganzen verlängerten Leben mit Schutzwällen und Leibwächtern umgeben. Sie waren Feiglinge. Sie besaßen den Geiz der Steinreichen. Es gab Rückschläge in ihrem Leben, aber nie hart genug, um zu sterben.
In dem großen Hotel, dessen Personal aus vor einem Jahrzehnt einflogenen Sudanesen bestand, ohne jegliche Verbindung mit der Umwelt und durch eine völlig fremde Sprache gegen einen zufälligen Kontakt mit einem Wanderer gefeit, waren die Unsterblichen darauf eingerichtet, das Ende der Seuche abzuwarten. Senator Dane lief jovial, aber etwas besorgt, zwischen ihnen herum. Er irritierte sie. Der Unterton der Besorgnis war für sie wie ein ständiges lästiges Gemurmel. Sie schimpften ihn deswegen aus, mit Wörtern aus fünfzig Sprachen (sie beherrschten sie alle) oder mit Gedanken, Gesten oder Tönen. Aber er steckte sie alle an.
Angst ist etwas Relatives. Ein Mann, der verhungert, hat keine Angst, daß ein plötzlich früher Frost die Ernte vernichtet. Dafür ist es zu spät; er kann sich nur Sorgen über das Nächstliegende machen. Ein gutgenährter Mann kann sich Jahre voraus Sorgen machen.
Die Unsterblichen konnten sich ein ganzes Jahrhundert voraus Sorgen machen. Sie waren die Rockefellers des Lebens, die den Kurzlebigen Stunden und Tage wie Almosen gaben; sie sahen weit in die Zukunft, und jeder ferne Kieselstein auf ihrem Weg war ein Berg. Danes Sorge war klein und entlegen, aber es war eine Sorge. Angenommen, murmelte die Angst hinter seiner heiteren Maske, sie finden unseren hiesigen Zufluchtsort. Gewiß, sie können uns nicht viel anhaben – wir können sie durch ihren Verstand vernichten, wie wir es immer getan haben –, aber es ist ein Ärgernis. Wir hätten den Wunsch zu fliehen. Das hier ist zwar unser bester Zufluchtsort, aber wir haben noch andere.
Sei still, dachten (oder sagten oder gestikulierten) die anderen. Er verdarb ihnen die Freude. Der Römer führte gerade den heiklen Balanceakt einer Feder auf einer Seifenblase vor (er war der stärkste von ihnen; es war schwer, stoffliche Gegenstände mit dem Verstand zu bewegen, aber mit dem Alter wurde das möglich).
Aber die Angst sagte: Wir haben sie verloren. Sie können überall sein. (Die Seifenblase platzte.) Die Angst sagte: Sogar wenn wir fliehen, sind sie nicht dumm; sie können das Haus durchsuchen und unsere Medizin finden. Und dann – also dann! Dann könnten sie der Seuche, die nur ein paar Todesopfer gefordert hat, ein Ende machen, dann werden etwa fünf Milliarden Menschen uns fünfundsiebzig suchen! (Die Feder schwebte zu Boden. Die Unsterblichen schauten ihn an.)
Es tut mir leid.
»Was heißt hier leid, du verdammter alter Narr!« rief Senhora Sant’ Anna, und gereizt stellte sie sich ihn in einer höchst peinlichen Situation vor. Der Römer übernahm das Bild und fügte noch etwas Pikanterie aus dem 3. Jahrhundert hinzu.
Aber angenommen, sie dringen bis hierher vor, schluchzte Dane.
»Geh«, sagte St. Cyr, der so wütend war, daß er laut sprach, mit seiner Tick-tack-Stimme: »und zer-stör das Se-rum! Ver-dirb uns nicht den Tag!«
Unwillig ging Dane, und seine murmelnde Besorgnis wurde durch die Entfernung in ihrem Verstand immer schwächer. Plötzlich verstummte sie ganz, und fröhlich wandten sich die Unsterblichen wieder ihrem Vergnügen zu … Auch für Dane verstummte sie ganz.
Er suchte im Vestibül des Erdgeschosses einen der sudanesischen Diener, als er hinter sich ein Geräusch hörte. Er wollte sich umdrehen. Aber er war fett und, trotz allem, sehr alt.
Der Hieb traf ihn, und er sank wie eine mit Speck gefüllte Schweinsblase
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