Tod den Unsterblichen
beigebracht«, sagte Rhame mit verzerrtem Gesicht, »wie man sich in der zivilisierten Gesellschaft zu benehmen hat. Die Friedenspfeife ist zum Beispiel gar nicht eine ihrer Sitten; aber man sagte ihnen, daß es uns gefallen würde. Dämmert Ihnen etwas?«
Cornut beugte sich vor, sein Kopf brummte, und er richtete die Augen auf Rhame. Dämmerte? Eines fügte sich zum anderen, und das Ergebnis war unausweichlich. Die Krankheit war absichtlich verbreitet worden. Die Unsterblichen hatten in ihrer nur auf sich bezogenen Weisheit beschlossen, gegen die kurzlebige Menschenrasse mit einer Methode vorzugehen, die sie in früherer Zeit mehr als einmal fast ausgerottet hätte: sie hatten eine furchtbare Seuche ausgestreut.
Locille schrie auf.
Cornut merkte zu spät, daß sie schläfrig an seiner Schulter geruht hatte, ohne schlafen zu können, ohne nach der schlaflosen Nacht völlig wach bleiben zu können. Jetzt hatte sie sich kerzengerade aufgesetzt und starrte die winzige Nagelschere in ihrer Hand an. »Cornut!« rief sie. »Ich wollte dir gerade die Kehle durchbohren!«
Es war Nacht, und draußen bildete der hohe Bogen der Brücke eine bunte Linie, die Scheinwerfer der Schnellbahnen und Privatfahrzeuge formten eine Reihe sich bewegender Pünktchen. In einer Bahn hörte sich der Fahrer mit halbem Ohr die Nachrichten an: »Im Mittleren Westen ist die Lage noch nicht kritisch, aber eine Welle der Angst überflutet alle wichtigen Städte von Iowa, Kansas und Nebraska. In Omaha kamen über sechzig Personen ums Leben, als drei Luftbusse mit Emigranten in einen merkwürdigen Zusammenstoß verwickelt wurden, an dem allem Anschein nach der Pilot einer der Chartermaschinen die Schuld trägt. Hier in Des Moines kam heute morgen der gesamte Verkehr fast anderthalb Stunden völlig zum Erliegen, da das Luftkontrollpersonal sich den fliehenden Massen anschloß und seine Posten verließ. In einer Meldung heißt es …«
Der Fahrer blinzelte und konzentrierte sich auf seine Kontrolle. Er war fünfzig Jahre alt, hatte schon länger als sein halbes Leben diesen Job und fuhr fast ebensolange auf dieser Strecke. Irritiert rieb er seinen Sensorkragen; er hatte ihn fast dreißig Jahre getragen, aber heute nacht drückte er ihn.
Der Kragen wirkte als Toter-Mann-Schalter, registrierte Körpertemperatur und Pulsschlag, war elektronisch an die Triebkraft und die Bremsen der Bahn angeschlossen, um letztere im Krankheits- oder Todesfall des Fahrers sofort auszulösen. Der Fahrer war an diese Kragen gewöhnt und würdigte ihre Notwendigkeit; aber heute nacht, als er die Brücke im dritten Gang hinauffuhr, hatte er das Gefühl, als würde ihm der Hals zugeschnürt.
Auch tat ihm der Kopf weh. Und seine Augen juckten und brannten. Er griff nach dem Mikrofon, das ihn mit dem Büro des Streckenleiters verband, und krächzte: »Charley, ich glaube, ich werde ohnmächtig. Ich …« Das war alles. Sonst nichts. Er fiel vornüber. Der Sensorkragen um seinen Hals hatte schon seit Minuten die Beschleunigung seines Pulsschlags und seines Atems registriert und reagierte sofort, als er zusammenbrach. Die Bahn hielt mit einem Ruck an.
Die Bahn dahinter raste katastrophal auf sie auf.
Dem Fahrer der zweiten Bahn ging es schon über eine Stunde schlecht, und er wollte seine Strecke möglichst schnell hinter sich bringen; er überfuhr alle automatischen Kontrollen der Geschwindigkeitsdrosselung auf der Brücke. Da er die kritischen Parameter überschritt, schaltete sein Sensorkragen die Energie in seinen Rädern ab; aber da war es schon zu spät; die Räder rasten ein Stück weiter. Sogar die Sensorkragen waren nicht darauf eingestellt, daß zwei Fahrer in derselben Sekunde ausfielen. Weiße Funken sprühten von der Brücke ins Wasser und erloschen – große weiße Funken aus zertrümmertem Metall. Dann stapelte sich alles aufeinander. Der Krach des Zusammenstoßes hallte über den Campus unten wider. Die Brücke erstarrte, ihre Lichter bildeten eine Reihe bunter Pünktchen, in deren Mitte ein riesiger Farbfleck aufloderte. Kurz danach begannen die Sirenen der Krankenwagen zu heulen.
Cornut hielt seine weinende Frau fest, sein Gesicht hatte einen ungläubigen Ausdruck, sein Verstand arbeitete fieberhaft. Locille hatte versucht, ihn zu töten? Einfach wahnwitzig!
Aber wie die anderen wahnwitzigen Tatsachen in seinem eigenen Leben war es nicht unerklärlich. Er wurde sich, recht spät, des schwachen Flüsterns in seinem eigenen Verstand bewußt. Er
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