Tod einer Göttin (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)
die Versiegelung aufzuheben. Kummer war bei den Albanern. Das klärende Gespräch über Jan Kummers eigenmächtiges Versiegeln einer Wohnung hatten Pit und er noch nicht geführt. Kummer versuchte, ihn von rechts zu überholen. Anders konnte Pit das Tun nicht deuten.
Ein schöner Abend war das gestern gewesen.
Pit hatte nicht gewusst, dass Hauke Behn Akkordeon spielte. Auch nicht geahnt, welche Ausstrahlung Behn haben konnte. Es schien, als habe Vera sie aus ihm herausgelockt.
Sie hatten sich gegenseitig angeleuchtet. War das Nick denn entgangen oder hatte der längst aufgegeben? Er selbst fing jedenfalls an zu resignieren.
Pit versuchte, sich auf andere Dinge zu konzentrieren.
Sich nicht länger Leid zu tun.
Zwei Beerdigungen und kein Mörder dingfest. Das waren die Probleme, mit denen er sich zu beschäftigen hatte.
Diese Schauspielerin schien eine große Sache aus der Beerdigung des Fritz Altgraf machen zu wollen, und auch Kristian Loew kam anständig unter die Erde.
Hatte es nicht Zeiten gegeben, wo Pit mit der Asche eines Ermordeten geradezu hausieren gegangen war?
Keiner, der sie hatte haben wollen. Noch nicht lange her.
Pit trat aus dem Präsidium und auf den Parkplatz.
Ein herrlicher Tag. Die Sonne glitzerte auf den Flecken Schnee und auf dem Lack des silberfarbenen Fords.
Der gute Anzug für Kristian Loew. Wie war nur Altgrafs Ausweis in den weniger guten Anzug gekommen?
Hatte der Mensch, der den Schreibtisch so sorgfältig zerlegt hatte, ihn dort hineingesteckt oder war Loew selbst beteiligt?
Pit seufzte. Warum war er nicht Quizmaster geworden.
Dann hätte er wenigstens Antworten gekriegt und Gewinne zu vergeben gehabt.
Er parkte an der Osterstraße ein und sah zu der opulenten Fassade des Gründerzeithauses hoch. Auf Kolps Balkon waren die Geranien erfroren. Nur der Efeu hielt sich.
Kolp begrüßte ihn mit großer Freundlichkeit. Das tat gut.
Er führte ihn in das Bücherzimmer, und Pits Blick fiel auf den Schreibtisch. Fotografien lagen dort ausgebreitet.
Ein kleiner Junge, der mit jedem Bild größer wurde. Erste Schritte tat. Sandeimerchen hielt und die Schultüte. Schlitten fuhr und auf Schaukeln saß, die in Apfelbäumen hingen.
Kolp neigte ohne Zweifel dazu, sich zu quälen.
Doch es gab kein Bild von einem Kristian Loew, der in die Jahre gekommen war.
Wann hörten liebende Eltern auf, zu fotografieren?
Wenn die Kinder nicht länger Kinder waren? Ihr Leben damit vergeudeten, herumzuhängen, statt wenigstens Buchhalter zu werden, wenn nicht Größeres, Schöneres?
War eigentlich klar, was Loew beruflich gemacht hatte?
„Ich wollte immer Alben anlegen, wenn ich im Ruhestand bin und Zeit habe“, sagte Kolp. „Jetzt bin ich seit Jahren im Ruhestand und warte darauf, dass ich tot bin und Zeit habe.“
„Womit hat sich Ihr Sohn beschäftigt?“
Hatte das Pit nicht schon einmal gefragt, ohne eine Antwort zu bekommen, die das geklärt hätte?
Auch jetzt zögerte Kolp. „Er hat eine Dokumentationsstelle geleitet. In einem kleinen Ladenlokal ganz hier in der Nähe“, sagte er schließlich.
Pit staunte. Das erste, was er hörte. Dann hatte Kummer vermutlich doch recht, dass diese Wohnung da oben nicht das Geringste hergegeben hatte.
„Was für eine Dokumentationsstelle?“
„Eine Art Zentrum der Antifaschisten“, sagte Kolp.
„Ihr Sohn ist doch gar nicht betroffen gewesen. Er ist Ende 1945 geboren.“
Der kleine Herr Kolp sah gekränkt aus. „Man ist immer betroffen“, sagte er.
„Warum erzählen Sie mir das jetzt erst?“
„Kristian war Kommunist.“ Klang er verlegen? Oder war das nur Koketterie? Der kleine Herr Kolp sah mehr denn je wie der ewige Armenier aus.
„Kennen Sie Leontine Weiss?“, fragte Pit.
Kolp schüttelte den Kopf.
„Hans Kaleschke? Stan Block?“
„Wer sind diese Leute?“, fragte Kolp.
Was sollte Pit sagen? Sich Nicks Meinung zu eigen machen, dass dies ein Geistertrupp war? Ein antifaschistischer oder genau das Gegenteil davon? Nur eine Laienspielgruppe mit Maria Loew und Jana Tempel als Theaterleiterinnen?
„Lassen Sie uns in die Wohnung Ihres Sohnes gehen.“
Sie standen auf. „Ich habe Ihnen gar nichts angeboten“, sagte der alte Herr.
„Was halten Sie davon, wenn wir bald mal zusammen essen gehen“, sagte Pit. Kolp nickte erfreut.
Pit versuchte, einen Blick in die Küche zu werfen. Doch die Tür stand nur halb auf, und er konnte nicht sehen, ob die Teller mit den Schnitzeln noch auf dem Tisch standen.
Wie war der
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