Tod einer Göttin (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)
Anschar. Sollte die gnädige Frau doch ins Telefonbuch gucken. Vera konnte sich um die Beerdigung von Fritz Altgraf nicht kümmern.
Anni war vorwurfsvoll, dass sie sich bis zwei Uhr morgens hatte Sorgen machen müssen, was Vera auf den eisglatten Straßen zwischen Amrum und Hamburg alles passiert sein konnte. Nicholas brütete die Windpocken aus.
Das würde die Gästeliste für Veras Geburtstag in zwei Tagen sicher noch verkleinern. Oder hatten sie alle die Windpocken gehabt? Dieses Theater um den Vierzigsten.
Hat Ihnen Ihre Anni nicht gesagt, dass ich gestern Abend eine Nachricht hinterlassen habe, hatte Jana Tempel gefragt.
Nein. Hatte sie nicht. Die Windpockerei und Vera zwischen Wölfen und Grizzlybären lenkten sie zu sehr ab.
Sagte einem ja vorher keiner, was man ein ganzes Leben lang für Ängste um die Kinder hatte.
Manchmal vergaß Anni, dass sie Vera nicht geboren hatte.
Vera ging mit dem Kleinen zum Kinderarzt und kam mit einer Zinklotion zurück und einem knatschigen Nicholas.
„Können wir die Feierei nicht verschieben?“, fragte sie. „Bis alles überstanden ist?“
Anni hatte das Fleisch fürs Boeuf Bourguignon schon in den Burgunder Wein eingelegt. Doch sie verschloss sich Veras Argumenten nicht völlig.
„An einem der nächsten Wochenenden“, sagte Vera.
Ob die Brandumer Polizeiwache auch an Samstagen und Sonntagen besetzt sein musste?
Sie hätte Hauke Behn und seinen Sohn gern dabei gehabt.
Nick wurde eingelassen, nachdem er versprach, eine Narbe zu zeigen, die er sich als Zwölfjähriger an einer Windpocke erkratzt hatte. Anni erwog, dem Kleinen Handschuhe aus Baumwolle anzuziehen, um ihn am Kratzen zu hindern.
„Das festliche Abendessen anlässlich meines Geburtstages wird verschoben“, sagte Vera. Sie stand am Sideboard im vorderen Balkonzimmer und dachte darüber nach, ob es zu früh sei, sich einen Whisky einzugießen. Es war zu früh.
„Ich habe eines der Kuverts geöffnet“, sagte Nick.
Vera drehte sich zu ihm um.
„Das nenne ich einen Vertrauensbruch“, sagte sie.
„Das für Maria Loew. Sie ist tot. Der Sohn ist tot. Wer sollte dieses Kuvert denn jetzt bekommen?“
„Jana Tempel“, sagte Vera. Sie entschied sich für einen Johnny Walker mit Wasser. Nahezu ein Fastengetränk.
„Wir kommen doch nicht weiter“, sagte Nick. „Die Dame lässt uns völlig im Dunkeln tappen.“
„Und?“, fragte Vera. „Ist es heller geworden?“
„Sie bietet Geld an. Einhunderttausend Schweizer Franken. Abzuholen im Hotel Vier Jahreszeiten.“
Was hatte Hans Kaleschke gesagt? Geld gegen Schweigen. Das ist doch nichts Neues.
Hatte Jana Tempel schon öfter gezahlt?
Sie überschätzt sich. Sich und ihr Geld, hatte Kaleschke noch gesagt. Verweigerte er sich diesem Angebot?
„Willst du auch einen?“, fragte Vera.
„Ich hab noch nicht mal gefrühstückt“, sagte Nick.
Es war, als könne Anni die Hungernden dieser Welt wittern.
Kaum war dieser Satz gesagt, stand sie im Zimmer.
„Die Knutschkugel schläft.“ Ihr Blick fiel auf das Glas in Veras Hand. „Sardinen auf Toast“, sagte sie, „das könnte euren Tag retten. Ich hab noch zwei Büchsen.“
Hatte sie Vera nicht Ölsardinen essen lassen, bevor das Kind auf eine Tanzerei ging? Eine gute Grundlage war alles.
Das hatte sie schon von ihrer eigenen Mutter gelernt. Auch, dass Essen und Trinken Leib und Seele zusammenhält.
Daran hielt Anni sich seit bald siebzig Jahren.
Es gab Weisheiten, die alle Wechselfälle der Geschichte überlebten. Anni war voll davon.
Vielleicht sollte Vera sie doch einweihen in den Fall Jana Tempel. Anni hatte ein sicheres Gespür.
Ich werde mich mit der Dame in Verbindung setzen, hatte Hans Kaleschke gesagt. War das schon geschehen?
Sie sollten das gestern versäumte Essen nachholen.
Am besten heute Abend. Kam drauf an, wie Nicholas die Windpocken wegsteckte.
Erst einmal Toast mit Sardinen.
Hinten fing der Kleine an zu weinen. Ein warmes Bad hatte der Kinderarzt empfohlen. Doppeltkohlensaures Natron darin, um den Juckreiz zu lindern.
Vera nahm eine windpockige Knutschkugel aus dem Bett und bat Nick, das Natron aus der Apotheke zu holen.
Jana Tempel konnte warten.
Der kleine Herr Kolp fragte an, wann er in die Wohnung seines Sohnes dürfe. Den guten Anzug wollte er holen, ein weißes Hemd, eine Krawatte, die Lackschuhe, die nur zu besonderen Anlässen getragen worden waren. Den Toten bekleiden. Auch Loews Leiche war freigegeben.
Pit sagte zu, noch am Nachmittag zu kommen und
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