Tod einer Göttin (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)
Familie auf Amrum?“
„Keine Seele.“ Hauke Behn blickte aus dem Fenster seines Büros und sah Theo über den Deich stapfen, der nur noch eine Schneelandschaft war.
Wo hatte der Junge denn seinen Ranzen gelassen?
„Wir Waisenkinder“, sagte Pit.
„Wenn sich in den letzten zwei Jahren da nichts geändert hat, dann geht um viertel vor zehn eine Fähre ab Dagebüll. Das hieße für dich sehr frühes Aufstehen.“
„Ich gucke noch mal ins Internet.“
„Ich freue mich“, sagte Hauke Behn, „nicht gerade auf Amrum. Aber auf dich.“
Eine Zumutung, zu viert aufzukreuzen.
Zu gucken. Zu fragen. Zu knabbern an Leontine Weiss.
Pit hatte alles versucht, um Vera und Nick davon abzuhalten, nach Amrum zu fahren. Doch konnte er es ihnen verbieten? Sie hatten sie entdeckt. Die Kleine. Die vermutlich nun auch fast siebzig Jahre alt war.
Vielleicht eine falsche Fährte, vielleicht auch nicht.
Pits Einwand, dass es kaum für Professionalität sprach, einen Familienausflug dorthin zu machen, wischte Vera weg.
Er war und blieb zu konventionell für diese Frau.
Hauke Behn wusste noch nichts von seinem Glück.
Kurz vor elf bogen sie in das Dorf ein und fuhren auf die Brandumer Polizeiwache zu.
Zumindest war er schon mal per Handy informiert worden, dass die Fähre um 13 Uhr 45 ins Auge gefasst wurde.
Behn hatte Kaffee gekocht. Seinen guten handgemachten Kaffee. Er zuckte nicht mit der Wimper, als er den Trupp vor seiner Türe sah. Er stellte nur zwei weitere Tassen aus dickem weißen Porzellan hin.
„Ist Frau Broder da, wenn Theo aus der Schule kommt?“, fragte Pit. Es tat ihm gut, Vera und Nick wissen zu lassen, dass er die Verhältnisse hier kannte.
„Sie und ein Nudelauflauf“, sagte Hauke Behn, „ein Karton Schokoküsse, eine Literflasche Fanta und eine Literflasche Cola. Das totale Verwöhnprogramm. Theo weiß natürlich, dass ich nach Amrum fahre.“
Er sah Vera an. „Frau Broder ist der gute Geist bei mir im Haus“, sagte er, „sie kümmert sich mit um meinen Sohn.“
„Ich habe Anni“, sagte Vera, „die kümmert sich um meinen.“
Sie lächelten über die Kaffeetassen hinweg.
„Nun mal zu unseren anderen Geistern“, sagte Nick.
„Was wissen wir von Leontine Weiss?“, fragte Hauke Behn.
„Sie lebt in Wittdün“, sagte Pit.
„Dort legt die Fähre an“, sagte Behn.
„Sie gehört zu dem Kreis von acht Menschen, denen Jana Tempel ein cremefarbenes Kuvert zukommen lassen will“, sagte Nick. „Das haben wir dabei.“
„Vier Freunde und ein Abenteuer“, sagte Vera.
Die anderen sahen sie überrascht an.
„Nimm bitte alles ernst“, sagte Nick.
„Ich habe zwei Leichen in der Rechtsmedizin“, sagte Pit, „und die haben beide mit Jana Tempel zu tun und damit vermutlich auch mit Leontine Weiss.“
Hauke Behn stellte seinen Kaffeebecher ab. „Wir sollten losfahren“, sagte er.
„Wo ist dein Assistent?“, fragte Pit.
„Der ist in einer Vermisstensache unterwegs.“
„Das vertraust du einem sechzehnjährigen Praktikanten an?“
„Die vermisste Person ist die Katze einer Nachbarin.“
Pit schüttelte den Kopf. „Was soll er sich für ein Bild machen vom Beruf des Polizisten“, sagte er.
„Genau dieses“, sagte Hauke Behn.
„Ich hoffe, du stehst am Tor, Gustav“, sagte Jana Tempel. Sie sagte es laut. Sie sagte viel zu viel laut in letzter Zeit.
War sie einsam? Therèse fehlte ihr.
Ich hoffe, du stehst am Tor, wenn ich da oben ankomme.
Warum dachte sie so viel über den Tod nach? Hatte es nicht noch Zeit mit dem Sterben?
Heute würde sie hinuntergehen. Hin zu dem Mann, der am späten Abend dort drüben stand. Vielleicht konnte das Kind sie begleiten und dieser Nick.
Doch Vera war mal wieder nicht zu erreichen. Ein Ausflug aufs Land, hatte die Haushälterin gesagt.
Das Kind war doch längst nicht so zuverlässig wie Gustav es gewesen war. Da schlugen mütterliche Gene durch. Sie hatte diese Nelly nicht gekannt. Sich nur gewundert, als Gustav sie heiratete. Eine Soubrette. Wo er eine Göttin hatte haben können. Hätte er? Hatte sie sich zu lange geziert?
Oder war es doch ihre Vergangenheit, die ihn hatte zaudern lassen, sich für immer mit ihr zusammenzutun?
Diese unglückseligen Entscheidungen, die sie in jener Zeit getroffen hatte. Wer hätte gedacht, dass sie von ihnen ein Leben lang verfolgt werden würde.
Jana Tempel seufzte. All diese alten Geschichten.
Das mit Leontine tat ihr Leid. Immer noch.
Was hatte man denn gewusst damals. Nur leben hatte
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