Tod einer Göttin (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)
„erkennst du mich?“
Leontine Weiss öffnete die Tür weit und ließ sie ein. Wusste sie, was sie tat? Sie schien allein zu sein im Haus.
Sie führte die drei in das gelbe Zimmer, in dem Vera und Nick schon beim letzten Mal mit Hauke Behn gesessen hatten. Ein Zimmer mit vielen Bildern. Eigentlich wirkte es heiter.
„Henryk ist nicht da“, sagte Leontine.
Zuckte Jana Tempel zusammen?
„Wer ist Henryk, Leontine?“, fragte sie.
„Mein Bruder.“
Jana Tempel schüttelte den Kopf und glaubte, es sanft zu tun. „Du hast keinen Bruder“, sagte sie. Ein Fehler, das zu sagen.
Leontine fing an, zu weinen.
„Was hat sie?“ Jana Tempel klang ungeduldig. „Sie hat den Verstand verloren, nicht wahr?“
„Was ist ihr widerfahren?“, fragte Nick. „Sie wissen es doch.“
„Ich habe es erzählt. Sie hat in diesen Kriegstagen ihre Eltern verloren und wurde von Kaleschkes Freund aufgelesen.
Leontine hat mit unserer Gruppe gelebt, doch die Umstände, unter denen wir lebten, waren kaum erfreulich zu nennen.“
Jana Tempel seufzte und ließ sich auf einen Stuhl nieder, der aussah wie aus einem altmodischen Kaffeehaus. „Das ist alles lange her und sollte längst überwunden sein“, sagte sie.
Die kleine verstörte Frau verkroch sich in einen Sessel und nahm sie nicht weiter wahr.
„Ich will, dass du Geld von mir nimmst, Kleines“, sagte Jana Tempel, „viel Geld. Ich habe genug davon.“
„Wer ist Henryk?“, fragte Vera.
„Vielleicht heißt dieser Mensch, mit dem sie hier lebt, Henryk. Doch ich bezweifele es.“
Klappte sie zu wie eine Auster? Ihr Mund war nur noch ein Strich. „Holen Sie das Kuvert hervor und zerreißen Sie es“, sagte sie zu Nick. Sah er erstaunt aus?
Nick tat es. Er holte das gutgehütete Kuvert hervor und zerriss es. Jana Tempel öffnete ihre Handtasche.
Den Scheck, den sie auf den kleinen Tisch neben dem Sessel legte, war von der Vontobel Bank. So viel konnte Vera sehen, die selbst ein Konto dort hatte. Die Summe ließ sich nicht erkennen. Doch sie zweifelte kaum daran, dass er auf einhunderttausend Schweizer Franken ausgestellt war.
Warum das Geld diesem Henryk oder wer immer er war zum Fraß hinwerfen?
„Ich habe es nicht gewollt“, sagte Jana Tempel.
Sah kaum so aus, als ob Leontine ihr zuhörte.
„Was hat sie nicht gewollt“, würde Nick später fragen. Da hatten sie schon die Abendfähre erreicht.
Jana Tempel schaute auf die Nordsee und war außer Hörweite. „Irgendeine Scheußlichkeit“, sagte Vera.
„Sie ist eine Teufelin“, sagte Nick, „glaube mir.“
Vera sah ihn überrascht an. Sie war nicht bereit, zu glauben, dass ihr Vater keine moralischen Bedenken gehabt hätte.
„Das ist ein zu großes Wort für diese Dame“, sagte sie.
Doch Nick schüttelte nur den Kopf.
„Zickenkram“, sagte Kummer. Er kaute hektisch auf seiner AirmenBean herum, die er sonst friedlich lutschte.
„Zwischen wem?“, fragte Pit.
„Ist irgendeine Trulla in die Redaktion zurückgekommen und hängt den Star heraus“, sagte Jan Kummer. „Cindy hätte die Geschichte machen sollen. Doch jetzt macht diese Leo sie. Kannst du dir vorstellen, wie meine Süße drauf ist. George Clooney. Da kommen du und ich nicht mit.“
Pit dachte, dass er auch mit Hauke Behn nicht mitkam, und registrierte erst nach einer Verzögerung, dass Kummer den Namen Leo genannt hatte. Leo von Velden was back.
Hatte er ihr nicht das Leben gerettet? Das verband.
„Leonie von Velden“, sagte Pit.
„Allmählich fange ich an, dich für einen Mann von Welt zu halten“, sagte sein Kollege.
„Sie ist tatsächlich in dieses Klatschblatt zurückgekehrt?“
Was würde Nick dazu sagen? So was konnte er ihm erst nach wenigstens zwei Grappa erzählen.
„Woher kennst du sie?“, fragte Jan Kummer.
„Sie hatte mit einem Serienmörder zu tun, der mich auch beschäftigt hat“, sagte Pit.
„Wenn ich das Cindy erzähle.“
„Sie wird Leo keinen Strick draus drehen können.“
Jan Kummer sah beleidigt aus. Gab es Schöneres, als Solidarität zwischen Liebenden?
Die anderthalb Jahre, in denen Leo abwesend gewesen war, schienen sie kaum geläutert zu haben. Was hatte Nick von der letzten Begegnung mit ihr erzählt?
Heilig sei Leo gewesen, nicht von dieser Welt und leidend dabei. Tat sich ja oft alles zusammen. Ehe er sich versah, hatte Nick allein im Cox gesessen, wohin er seine einstige Verlobte zum Essen eingeladen hatte, und geglaubt eine Erscheinung gehabt zu haben. Ließ sich eine solche
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