Tod einer Göttin (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)
Klarinette und spiele.“
„Wenn alle da sind, wird erst mal gegessen“, sagte Anni in das Türklingeln hinein, „und Platten können wir auch spielen.“ Sie wandte sich der Wohnungstür zu, um die nächsten Gäste einzulassen.
„Lässt sich übrigens nicht festmachen, das Gerücht um eine Agententätigkeit unserer Göttin“, sagte Engelenburg leise, „dabei wäre das doch ein Grund, ihr den Hals umdrehen zu wollen. Verrat wirkt lange nach.“
Vera hatte keine Gelegenheit, zu antworten. Nick trat ein und hatte Theo im Schlepptau, der erst Vera umarmte, um dann eine Verbeugung vor Anni und Engelenburg zu machen.
Gegen dieses väterliche Ansinnen hatte er sich die ganze Autofahrt lang gesträubt. Sein Vater konnte wirklich ziemlich altmodisch sein. Theo wunderte sich, dass er trotzdem hier den kleinen Lord gab, obwohl sein Erziehungsberechtiger ihm nicht mal zusah.
„Papa holt noch das Akkordeon aus dem Auto“, sagte er.
Annis Herz hatte er schon gewonnen.
„Magst du gern Eis mit heißer Schokoladensauce?“, fragte sie. Bei ihr gingen Sympathieerklärungen durch den Magen.
„Und ob“, sagte Theo und strahlte.
„Bei uns hieß dieses Dessert ‚Madame Blanche’“, sagte van Engelenburg und strahlte auch. Vielleicht sollten sie doch lieber erst tanzen und dann essen, sonst kriegte er kein Bein mehr vom Boden. „Duftet es nicht nach gebratenen Hühnern?“, fragte er.
Anni nickte glücklich. „Fünf Gänge“, sagte sie, „und zum Schluss gibt’s Käse. Sie werden satt sein, Jan.“
Hätte Vera gedacht, dass eine Klarinette und ein Akkordeon so gut miteinander klängen? Sie hatte getanzt. Mit Nick. Und mit Pit. Irgendwann hatte Hauke Behn das Akkordeon zur Seite gelegt, um sie mitten im Stück um den Tanz zu bitten, und Engelenburg hatte ‚Stardust’ auf der Klarinette allein zu Ende gespielt.
Anni war es gewesen, die sich dieses Lied wünschte.
Hat doch Gustav immer gespielt, hatte sie gesagt und ihn beinah am Klavier sitzen sehen, in dieser traumseligen Stimmung, in der sie sich befand. Hoagy Carmichaels Klassiker war eines der Lieblingsstücke von Veras Vater gewesen, und Jef hatte es gespielt wie er.
„Sometimes I wonder why“, sang Vera. Hatte sie seit Jefs Tod nicht mehr getan. Was war so anders heute Abend? „I spend the lonely night dreaming of a song.“ Sie sah zu Anni und dann zu Nick. Beide lächelten ihr zu und sahen dankbar aus, als ob sie Vera nun endgültig über den Berg hätten.
Ihre neue Liebe begann unter aller Augen.
Auch denen von Pit, der zu voll war von dem guten Wein und dem Essen, um wirklich noch leiden zu wollen.
Hatte er es nicht längst gewusst? Ein Freund. Ein guter Freund. Da konnte er sich neben Nick einreihen.
Ein herrlicher Abend, sagte Anni, als sie in der Küche stand und das letzte der gebratenen Hühner für Nick einpackte.
Engelenburg hatte den Kühlschrank ja immer gut gefüllt, der würde kaum hungern. Bei Nick wusste Anni nie.
Um zwei Uhr morgens war alles still.
Theo schlief fest, als sein Vater sich aus dem Zimmer schlich.
Er hätte auch nichts dagegen gehabt.
Jana Tempel sah aus wie auf dem Foto, das die Hamburger Zeitungen bei ihrer Ankunft veröffentlicht hatten. Nur, dass die Haut nicht mehr jung war zwischen Sonnenbrille und dem Knoten des seidenen Kopftuches.
Sie stieg in den Fond des silberglänzenden Saab und staunte, dass dieser Nick ein neues großes Auto fuhr.
Stieg er in ihrer Achtung?
Keiner von den beiden klärte sie auf, dass der Saab einem vermögenden Herrn van Engelenburg gehörte, der eine eher flüchtige Begegnung mit ihr in einem Hotel in Sils Maria gehabt hatte. Ein Verehrer von Zicken.
Sie nahmen die vertraute Fähre um viertel vor zwei und kamen zwei Stunden später auf Amrum an.
Die Tage wurden wieder deutlich heller.
Hätten sie sich besser angemeldet bei Leontine Weiss?
Doch welche Vorsichtsmaßnahmen hätte ihr Gefährte, der behauptete, ihr Bruder zu sein, dann getroffen?
Jana Tempel schlug den schwarzen Fisch aus lackiertem Eisen gegen die hellblaue Holztür. Doch keiner öffnete.
Vera fiel ein anderer Türklopfer ein. Eine eiserne Hand, die eine Weltkugel hielt. Um Stan Block mussten sie sich auch noch kümmern. Eine endlose Geschichte, die ihnen Gustavs Geliebte aufgebürdet hatte.
Die Tür ging auf, als keiner von ihnen es mehr erwartete. Nicht der Bruder. Leontine stand vor ihnen und wirkte noch mehr als beim ersten Mal wie ein verstörtes Kind.
„Leontine“, sagte die Tempel leise,
Weitere Kostenlose Bücher