Tod einer Göttin (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)
es im Leben des Kristian Loew kaum Freunde gegeben hatte. Der kleine Herr Kolp und Pit saßen allein in der ersten Reihe vor dem Sarg.
Hinten eine kleine Gruppe von Leuten, von denen Kolp zwei als Nachbarn begrüßt hatte. Die anderen schienen auch ihm unbekannt zu sein.
Dazwischen viele leere Stühle.
Auf dem Sarg lagen Mimosen. Mozarts Lacrimosa kam vom Band. Der kleine Herr Kolp hatte sich Mühe gegeben. Doch das Leben seines Sohnes hatte kaum Spuren gelassen, die eine Trauerfeier hätten gestalten können.
Pit drehte sich um. Draußen stand Kummer und wusste auch nicht, nach was er Ausschau hielt. Nach Leschinski vielleicht.
„Ein vertanes Leben“, sagte Kolp leise.
Nein. Das war doch nicht wahr. Schaukeln in Apfelbäumen hatte es gegeben. Hoffnungen. Träume. Einen liebenden Vater. Warum fielen Pit die Wiener Schnitzel ein?
Er streichelte Kolps Hand, die auf dem leeren Stuhl lag.
„Sie sind ein guter Junge“, sagte der alte Mann, doch er zog die Hand weg. War er verlegen?
Vom ersten Augenblick an hatte Pit das Gefühl gehabt, den kleinen Herrn Kolp schützen zu wollen. Sich ihm als Sohn anzubieten, dachte Pit. Ging es tatsächlich so weit?
Vielleicht hatte er auch da Defizite. Nicht nur bei Frauen.
Der Redner, der nun vortrat, konnte nur einer der Profis sein, die der Bestatter an der Hand hatte.
Dürre Lebensdaten. Ein paar Zitate aus deutscher Dichtung.
„Die Urnenbeisetzung“, sagte Kolp, als sie aus der Kapelle kamen, „können Sie dabei sein?“
Pit nickte. Bald fühlte er sich wirklich wie Kristian Loews kleiner Bruder, der dem Vater geblieben war. In Treue fest.
Jan Kummer steckte sein Handy ein und gab ihm ein Zeichen. „Gehen Sie nur“, sagte der kleine Herr Kolp, „einer der Nachbarn wird mich nach Hause mitnehmen.“
Hatte er ein Blech Butterkuchen vorbereitet?
Beerdigungskuchen, hatte Pits Mutter den genannt.
Doch Anni Kock servierte ihn in allen heiteren Momenten des Lebens, und der Holländer trank Kakao dazu.
Pit spürte eine große Sehnsucht nach Veras Küchentisch.
Freute er sich auf die Tanzerei morgen?
Hauke Behn und Theo würden da sein.
Eigentlich hatte er doch längst schon verloren.
Alles aus. Komme in den nächsten Tagen zurück. Hatte es je köstlichere Worte gegeben? Jan van Engelenburg tanzte auf Wolken, noch ehe die Tanzerei begonnen hatte.
Jockel hatte eingesehen, dass die Australierin nichts für ihn war. Gab es in Hamburg nicht wunderbare Frauen?
Van Engelenburg war bereit, sie seinem Sohn in Scharen zuzuführen. Wenigstens der Jüngste kam nach Hause.
Da zog man die Kinder groß, brachte ihnen bei über den eigenen Tellerrand zu schauen, und schon waren sie weg.
Es gab keine Gerechtigkeit für Eltern.
„Jockel kommt wieder“, jauchzte Engelenburg, als er Vera einen Fresskorb übergab, in dem alles drin war, was der Holländer gern aß.
Hatte Vera schon eine leise Ahnung davon, wie schmerzhaft es war, wenn die Kinder das Haus verließen? He’s leaving home. Nicholas war noch nicht ganz so weit. Der begann gerade erst durch die Wohnung zu krabbeln.
„Bin ich der Erste?“, fragte Engelenburg. Er war immer der Erste. Selbst Nick war noch nicht da.
„Ich habe eine Attacke auf Sie vor“, sagte Vera.
„Schießen Sie los. Mich erschüttert heute nichts.“
„Jana Tempel möchte am Montag mit Nick und mir nach Amrum fahren. Ich kann ihr Nicks alte Kiste kaum zumuten. Abgesehen vom fehlenden Komfort ist die Wahrscheinlichkeit hoch, an der nächsten Ecke liegen zu bleiben.“
„Sie kriegen meinen Saab, Vera, gar keine Frage. Ich würde mich auch als Chauffeur zur Verfügung stellen.“
Vera schüttelte den Kopf. „In dieser heiklen Mission sind wir schon überbesetzt.“
„Hat unsere Göttin auch alte Freunde auf Amrum?“
„Alte Freunde“, sagte Vera. „Sieht ganz so aus, als ob sie ihr in Hamburg und anderswo gern den Hals umdrehten, statt Kaffeekränzchen zu ihren Ehren zu veranstalten.“
Hatte sie sich nicht vorgenommen gehabt, Engelenburg die Hintergründe zu verschweigen?
„Ihr braucht nicht im Flur zu stehen“, sagte Anni, die aus der Küche kam, „wir haben noch andere Zimmer.“
Engelenburg blickte durch die offenstehenden Türen in das leergeräumte Esszimmer. Sollte tatsächlich getanzt werden? Er hatte das für die Metapher eines noch üppigeren Essens gehalten. „Wer macht die Musik?“, fragte er.
„Ich setze mich ans Klavier“, sagte Vera.
„Das kommt nicht in Frage. Sie tanzen, Vera. Ich hole meine
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