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Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Titel: Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lennon
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werd.«
    Fletcher steckte das Lederalbum wieder in die Plastiktüte zurück und strich diese glatt.
    Die Maden im Eimer waren wie ein einziges Lebewesen, ihr Gewimmel und Gekrabbel wie das Atmen eines Organismus.
    »Hast du keine Schule?«
    Er hielt dem Jungen seinen Polizeiausweis unter die Nase. Der Junge blinzelte und schnipste die Asche seines Joints ins Wasser.
     Wie viele Jugendliche hatte er nicht die geringste Angst vor den staatlichen Kontrollorganen. Er wusste, dass man in einem
     Land, das seiner Probleme ohnehin kaum Herr wurde, weder Zeit noch Geld für Lappalien wie ihn hatte.
    Die Zeiten haben sich geändert, dachte Fletcher, seit 1978, als Terry Swilter über den Zaun einer Trafostation geworfen oder
     Shane Gaffy mit Benzin übergossen und angezündet wurde. Oder als man sich den dritten Jungen vorknöpfte, der lang ausgestreckt
     auf den eiskalten Steinplatten lag und vielleicht vor seinem Tod noch gespürt hatte, wie ihm die kleine Puppe in den Overall
     geschoben wurde.
    »Fängst du hier viel?«, fragte Fletcher.
    »Manchmal schon. Schön ruhig isses hier.« Der Junge zwinkerte ihm grinsend zu. »Triffste dich mit wem? Mit ’m Mädel?«
    Fletcher klemmte das Album unter den Arm.
    »Ja, gerade eben.«
     
    Der Nissan tuckerte leise in der Hitze des Spätnachmittags. Fünfunddreißig Grad und der Ventilator quirlte nur die glühende
     Luft um. In Fletchers Kopf gingen Vermutungen und Verdächtigungen wie Windräder im Kreis.
    In den offiziellen Akten stand eine Geschichte voller Auslassungen und Ungereimtheiten. Das sogenannte Doomsday Book hatte
     ihm etwas mehr verraten und die kleine Strohpuppe mit dem Tod der jungen Bandenmitglieder in Verbindung gebracht, ohne aber
     zu erklären, wer die Püppchen auf die Leichen gelegt hatte und was dieses Symbol bedeutete. Wenn er das wüsste, würde er vielleicht
     bei der entscheidenden Frage, wie der russische Ingenieur ums Leben gekommen war, klarer sehen.
    Wo konnte er noch nach der Wahrheit suchen?
    Einen Ort gab es, einen einzigen. Einen Ort, wo man die
Lovely Brigade
gewiss noch nicht vergessen hatte und vielleicht eigene Zweifel an den Todesumständen hegte.
    Er konnte in die Lovely Street gehen.
    Er nahm das Airwave-Gerät aus dem Handschuhfach. Nur eine halbe Minute, und er war mit dem Netz von Sendemasten verbunden,
     das jedem Polizisten Zugang zu den internen Datenbanken ermöglichte: Wer wo wie lange schon wohnte und was er mit welchen
     Behörden zu tun gehabt hatte. Die normannischen Eroberer, die damals ein Verzeichnis der Ländereien Englands angelegt und
     es Domesday Book genannt hatten, hätten an diesen Möglichkeiten ihre wahre Freude gehabt. Das Problem war nur, dass die Nachnamen
     Swilter undGaffy in der ganzen Grafschaft nicht zu finden waren. Weder im Wählerverzeichnis noch im Register des Finanzamtes, noch in
     der Polizeidatenbank, einfach nirgends. Waren die Familien weggezogen? Aus Trauer oder aus Angst?
    Er betrachtete das Foto des dritten Jungen, dieses gutaussehenden Burschen mit den Ohrringen, der tot auf den Steinplatten
     lag. Dann schaltete er in den Telefon-Modus um.
    »Ich bin noch am Flughafen, Fletcher. Ich suche nach meinem Wagen.« Der Rest wurde von einem startenden Jet übertönt. »Ich
     hätte schwören können, dass er in Reihe D steht.«
    »Sal, als wir über die
Lovely Brigade
redeten, hattest du drei Jungs erwähnt, die drei Anführer. Da waren Swilter und Gaffy, und da war noch jemand, ein dritter
     Bursche.«
    »Ich verstehe kein einziges Wort. Da ist er, Reihe E.   Was hast du gefragt?«
    »Da war noch ein dritter Junge in den Microfiche-Akten. Neben Swilter und Gaffy gab es noch jemanden in der
Lovely Brigade
. Der hatte so einen irischen Namen.«
    »Hier ist es heißer als in Portugal.« Die Hintergrundgeräusche verstummten plötzlich, als hätte Sal sich in den Wagen gesetzt
     und die Tür zugeschlagen. »Das war Paddy Legsey. Legsey mit nur einem g.«
    Fletcher ging die Datenbanken noch einmal durch. Diesmal fand er den Nachnamen genau da, wo er es erhofft hatte.
    Gleich darauf fuhr er los, während die Spätnachmittagssonne auf die Dächer von Grantchester niederbrannte und dünne Wolkenbänder
     das Licht am Horizont zu schmutzigen Strömen bündelten.
     
    Am frühen Abend traf er sie auf einem Rastplatz bei Ely. Moderne Familien fütterten ihre schwitzenden, aber braven Kinder
     im Burger King oder Little Chef ab, während sie bleifrei oder Diesel tankten.
    Sal trug das Haar offen und ihre

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