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Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Titel: Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lennon
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Seite war ein weiteres unbekanntes Foto zu sehen. Diesmal handelte es sich nicht um eine Aufnahme des Polizeifotografen,
     denn dieser war erst eingetroffen, als der bewusstlose Gaffy schon auf dem Weg ins Krankenhaus war. Das Foto wirkte wie ein
     hastiger Schnappschuss, den Police Constable Ron Teversham vielleicht selbst gemacht hatte, weil er ein saftiges Bild für
     das Sammelalbum wollte.
    Es zeigte Shane Gaffy, der bewusstlos auf dem Boden lag, nachdem er dem Flammenmeer entkommen war: Das Gesicht war eine einzige
     Brandwunde, das Haar weggesengt, der Mund noch immer aufgerissen und die Zähne gefletscht wie in dem Moment, als er das brennende
     Gas eingeatmet hatte.
    Er legte das Foto neben das von Terry Swilter. Sie hatten eines gemeinsam.
    Auf jeder Leiche lag ein Gegenstand, den jemand sorgfältig dort hingelegt hatte. Etwas Kleines, das zunächst gar nicht auffiel
     und sich einem dann doch ins Bewusstsein drängte. Ein groteskes Figürchen mit langen Armen und Beinen und krallenförmig ausgestreckten
     Händen: die albtraumhafte Schwester der hübschen Püppchen, die in Thinbeach in ihren Holzkästen zur Schau standen. Eine kleine
     Strohpuppe, eine kleine Braut von Thinbeach. Genau das, was auch auf der Leiche von Iwan Gorenskis Vater gelegen hatte.
    Ein Ausflugsboot aus Cambridge tuckerte vorbei und seine Bugwelle schwappte ans Ufer. Eine Frau an Deck drehte sich neugierig
     nach Fletcher um: Was war das für ein Mann im Anzug, der mit einem großen, ledergebundenen Buch im Schoß auf einem umgestürzten
     Baumstamm saß? Fletcher beachtete sie nicht.
    Die kleine Strohpuppe hatte mit Sicherheit etwas zu bedeuten. Sie bedeutete Tod. Sie bedeutete, dass die Bandenmitglieder
     der
Lovely Brigade
auf die Stromleitung geworfenbeziehungsweise mit Benzin überschüttet und angezündet worden waren. Man hatte Strohpuppen auf die verkohlten Leichen gelegt,
     die dann von der Polizei entfernt worden waren und auf den offiziellen Fotos fehlten. Die Unfälle waren von jemandem, der
     ein Faible für Fälschungen hatte, sorgfältig arrangiert, die Fälle nur ganz oberflächlich untersucht und dann sofort abgeschlossen
     und zu den Akten gelegt worden.
    Aber warum nicht nur die Jugendlichen, sondern auch der russische Ingenieur?
    Fletcher blätterte im Doomsday Book, ob vielleicht auch noch andere Leichen mit Strohpuppen zu finden waren. Ohne Erfolg.
     Die anderen Ermordeten oder Verunglückten hatten anscheinend nichts mit der Braut von Thinbeach zu tun.
    Mit einer einzigen Ausnahme.
    Auf der hinteren Umschlaginnenseite fand er ein weiteres unscharfes Foto, wohl wieder mit der Sofortbildkamera eines Polizisten
     geschossen.
    Es zeigte die auf dem Boden ausgestreckte Leiche eines Jugendlichen, der jünger als Gaffy und Swilter war, fast noch ein Kind.
     Er hatte keine Brandwunden, war aber ganz offensichtlich tot und lag mit dem Gesicht nach oben auf einem vereisten Untergrund
     aus Steinplatten. Es war ein gutaussehender Bursche mit dem typischen kantigen Kinn der Fenleute und einem Ring in jedem Ohr.
     Jemand, der Handschuhe trug, untersuchte gerade seinen Kopf. Der Tote trug einen Overall, in dessen Brusttasche etwas steckte.
    Noch eine Thinbeach-Braut. Die gleichen überlangen Arme, die gleichen zu Klauen verkrümmten Strohhände, aber irgendetwas an
     dieser Puppe war anders. Fletcher bemerkte, dass sie mit dem Gesicht nach unten lag, als lauschte sie an der Brust des Jungen,
     ob das Herz auch wirklich nicht mehr schlug. Ihr Gesicht war halb zur Kamera gedreht, und sie hatte natürlich keine Augen,
     doch der ausgefranste kleine Mund lächelte, als läge sie am Hals ihres Liebsten.
    Die von Hand gekritzelte Bildunterschrift lautete:
Nun hat sie ihn, die Maid der Isle of Eels.
    Fletcher steckte alle drei Fotos in seine Jacketttasche. Dann blickte er zum Himmel auf, der über dem Blätterdach strahlend
     blau leuchtete. Vor ihm schwankten die Zweige leise raschelnd im Wind, eigentlich ein beruhigendes Geräusch. Jetzt aber klang
     es, als würde Asche in den Wind gestreut. Eine Fliege summte an ihm vorbei, dann noch eine, und   ...
    »Hey, Mann, willste noch den ganzen Tag da hocken?«
    Fletcher schaute nach unten. Dort stand ein etwa dreizehnjähriger Junge, die Gummistiefel tief im Schlick, eine Angelrute
     in der Hand und einen Joint zwischen den Lippen. Neben ihm stand, von Fliegen umschwirrt, ein Eimer mit Maden, die er als
     Köder benutzte.
    »Hier angle ich nämlich, wenn ich nicht dauernd gestört

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