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Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Titel: Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lennon
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leuchteten. Der Himmel war bewölkt und die Luft windstill.Die Mauern von Green Street bewahrten die Tageshitze wie einen alten Groll.
    Fletcher hatte im Kühlschrank gewühlt und in Limettensaft gedämpften, mit Thymian gewürzten Seebarsch mit zerstampften Süßkartoffeln
     aufgetischt. Sal wirkte beeindruckt.
    Jetzt saßen sie einander auf der breiten Fensterbank gegenüber und blickten auf die letzten Lichter, die draußen noch brannten.
     Es roch nach dem halb vertrockneten Moos der Dächer. Zwischen ihnen stand eine Flasche eiskaltes Wasser. Auf einem alten Plattenspieler
     lief das Saxophonstück aus Belize, unterlegt vom Knacken und Knistern der Vinylplatte. Sal hatte die Beine ausgestreckt. Im
     Licht der Straße schimmerten ihre glatten Waden, die vom Fuß herabbaumelnde Sandale wippte im Takt.
    Es war schon weit nach Mitternacht – der Tag der Hochzeit war angebrochen – und Fletcher merkte, dass sie nun schon eine Weile
     schwiegen und es keinen von beiden drängte, die Stille zu brechen. Aber schließlich fragte er: »Also, was wissen wir eigentlich?«
    Sal blickte noch immer auf die Straße hinaus, das Haar fiel ihr in die Augen. »Fangen wir lieber mit dem an, was wir nicht
     wissen. Wir haben zum Beispiel keine Ahnung, wie das mit
The Wake
damals angefangen hat.«
    Fletcher füllte beide Gläser mit Wasser auf. Er beobachtete, wie Sals Kehle sanfte Schluckbewegungen machte, während sie langsam
     und ausgiebig trank.
    »Ich glaube, dass sie wirklich irgendwann Mitte der Siebziger einen historischen Verein gegründet haben. Billy Breakman und
     Thomas Denton dürften wohl wirklich im Kettenhemd bei Dorffesten aufgetreten sein – und Peter Charter war tatsächlich der
     Fahrer und hat die Leute in seinem Kleinbus transportiert. Aber dann, gegen Ende der Siebziger, wurde alles anders.«
    Sal nickte. »Die ersten Kinder, die in den frisch hochgezogenenSozialsiedlungen von Wittris zur Welt gekommen waren, wurden allmählich erwachsen, und als sie genauer hinsahen, wie es um
     sie selbst und ihre Zukunft bestellt war, waren sie alles andere als begeistert. Sie begannen, sich als Enteignete zu sehen,
     als Opfer einer uralten Rivalität, und verliehen ihrem Leben damit ein wenig Sinn und Glanz. Sie waren nicht einfach nur Einbrecher,
     nein, sie kämpften gegen den alten Erzfeind. Wahrscheinlich machten sie anfangs die Erfahrung, dass die kleinen normannischen
     Dörfer leichte Beute waren. Die Anführer der Banden hörten in den Fernsehnachrichten von den Roten Brigaden – da hatten sie
     also eine bewaffnete Gruppe, die sich zum Kampf gegen die Privilegierten zusammengeschlossen hatte. Das gefiel den Jungs aus
     Wittris, und so kamen sie auf die Idee mit der
Lovely Brigade
. Der Name sprach sich herum, und als sie ihn immer öfter in den Schlagzeilen lasen, fanden sie das toll. In den alten Polizeiakten
     sieht man, dass sich die Überfälle im Herbst häuften und schließlich zwei oder drei Häuser pro Woche ausgeraubt wurden. Die
     Polizei war hilflos, und selbst wenn Shane Gaffy, Terry Swilter oder Paddy Legsey einmal festgenommen wurden, hatten sie immer
     ein Alibi parat. Die Bewohner von Thinbeach müssen diese Welle angelsächsischer Gewalt auf sich zurollen gesehen und sich
     gefragt haben, wie sie sich davor schützen sollten. Wer wird wohl auf die entscheidende Idee gekommen sein, was meinst du?«
    Unten auf der Straße erlosch die Außenbeleuchtung eines Restaurants, und Fletcher beobachtete, wie sich dadurch das Licht
     in Sals Gesicht veränderte. Die eine Seite, über die noch immer das Haar fiel, lag jetzt im Dunkeln.
    »Fletcher?«
    »Alain de Minching. Er muss damals so um die dreißig gewesen sein und sah die Situation als die letzte Phase eines alten Krieges
     und sich selbst als den normannischen Lord, der seine Gemeinde verteidigt. Er wusste, dass bei der Polizei angesichtsder Streiks und Unruhen in jenem Winter alle Kräfte gebunden waren, was das Dorf umso verwundbarer machte. Es gab einige Überfälle
     in Thinbeach selbst. Einwohner waren gefesselt und bepinkelt worden, wie er mir erzählt hat. Das war eine Kriegserklärung.
     Vielleicht hat er da in Blindy House eine ganze Nacht lang allein bei seinen Strohpuppen gesessen und vor sich hin gegrübelt.
     Schließlich beschloss er, von Hereward the Wake zu lernen und die Feinde in die Falle zu locken. Er unterbreitete seine Idee
     Billy Breakman und Thomas Denton, zwei Männern, die er verachtete, die aber genug Geschick, Kraft

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