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Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Titel: Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lennon
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Lärm übertönt, der nun immer lauter von draußen
     hereindrang. Das Foliendach flatterte und knarrte. Plötzlich begriff Fletcher, wo dieser Lärm herkam.
    Sie befanden sich am Rande des Gewächshaussystems, wo die Folientunnel von Weizenfeldern abgelöst wurden. Der Krach kam von
     einem in der Nähe arbeitenden Mähdrescher – eine der hausgroßen Maschinen, die eine Schleppe aus statisch aufgeladenem Spelzenstaub
     hinter sich herzogen. Der kleine Chinese hatte recht gehabt – die Maschine klang wirklich wie ein Drache.
    Iwan drehte sich zu Fletcher um und legte ihm die Hand auf die Brust – die freie Hand, in der er kein rasiermesserscharfes
     Messer hielt. Diese Geste war keine Drohung, sie bedeutete einfach:
Warte.
    So verharrten sie bewegungslos, Iwans Hand auf Fletchers Brust, seine Finger waren, wie Fletcher durch den Stoff hindurch
     spürte, vollkommen ruhig. Über ihnen zuckte ein weiterer Blitz. Als der Mähdrescher näher kam, gingen langeWellen durch die Kunststofffolie, selbst der Dunst in der Luft geriet sichtbar in Bewegung.
    Iwan nahm die Hand weg und zeigte auf etwas.
    Am Ende des Tunnels, wo die Seitenwand auf die Abschlusswand traf, war das Ende der Folie zusammengeschoben und um die letzte
     Metallrippe gelegt worden. In einer der Folienfalten entstand jetzt Bewegung. Etwas beulte die Plane auf Kniehöhe aus – erst
     wurde nur Druck ausgeübt, dann aber waren blitzende Zähne zu sehen. Einer von Alains Hunden hatte die Geduld verloren und
     riss, Schaum vor den Lefzen, die Kunststoffhaut auf. Der andere Hund folgte ihm, Geifer troff aus seinem Maul. Dann arbeitete
     es noch stärker in den Falten, die bebten und sich blähten, bis schließlich der Umriss einer männlichen Gestalt sichtbar wurde,
     die Fletcher das von der weißlichen Folie verzerrte Gesicht zuwandte. Die Hunde blickten hechelnd zu ihr auf.
    Eine rostige Klinge schlitzte die Folie auf, und Alain de Minching kletterte heraus.
    Alains Anzug war schweißdurchtränkt, feuchte Haarsträhnen hingen ihm tief in die Stirn und er keuchte heftig – aber in seinen
     Augen schimmerte es berechnend. Er blickte sich in Richtung des wieder näher kommenden Lärms um und wandte sich dann Iwan
     zu.
    »Es war einfach ein Missverständnis. Verstehen Sie? Und jetzt kommt die Polizei. Sie wird mir helfen.«
    Iwan hielt Alains Augen fest.
    »Die Polizei? Wo ist sie denn?«
    Fletcher streckte die Hand nach Iwans Messer aus – und Iwan gab es zu seiner Überraschung her: Er warf es mit der Spitze voran
     in die weiche Erde, wo es sich eingrub und stecken blieb. Fletcher forderte Alain mit einer Geste auf, das Gleiche zu tun.
    Den Hunden hing die von Geifer triefende Zunge aus dem Maul. Alain blickte sich im Tunnel um und schluckte. Dannsah er Iwan wieder an – und trotz des Messers, das er in der Hand hielt, stand Furcht in seinen Augen. Er drehte sich um,
     hackte auf die Folie ein und erzwang sich, nach seinen Hunden pfeifend, einen Weg nach draußen, ins Freie.
    Iwan rannte los und sprang ebenfalls durch die Öffnung. Fletcher warf einen Blick auf sein Funkgerät: Noch immer nichts. Dann
     kletterte er den beiden hinterher.
    Draußen war es dunkel und kühl.
    Fletcher stand vor einer riesigen Weizenfläche, die nach Staub und Erde roch. Hier und da fielen erste schwere Regentropfen
     nieder. Einer streifte Fletchers Gesicht. Der Mähdrescher war nur noch zwanzig Meter entfernt und näherte sich mit einem ohrenbetäubenden
     Dröhnen. Alles, was Crispin gesagt hatte, stimmte: Das Schneidwerk erzeugte eine solche statische Aufladung, dass Funken flogen,
     und das Gebläse spie ganze Wolken von Spelzenstaub aus. Oben in der Kabine mit den getönten Scheiben saß der Fahrer, der offenbar
     noch jede Minute bis zum Ausbruch des Gewitters ausnutzen wollte. Sein Gesicht wurde vom Licht des Monitors schwach beleuchtet.
    Alain de Minching stand im hohen Weizen, sah zum Mähdrescher auf, der langsam näher kam, blickte dann wieder auf Iwan und
     schien noch immer die für ihn günstigste Lösung zu berechnen. Da der Mähdrescher schräg vorbeifuhr, konnte er es vielleicht,
     wenn er sofort lossprintete, auf die andere Seite schaffen und dann verschwinden. Alain drehte sich ein letztes Mal um und
     schaute suchend übers Feld – vielleicht in der Hoffnung, dass Polizei auftauchen und ihn retten würde, denn selbst die Strafverfolgung
     wäre weniger schlimm, als Iwan Auge in Auge gegenüberzustehen. Dann ließ er das Messer fallen und stürmte

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