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Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Titel: Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lennon
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Noch einmal spürte er, wie Webley seinen Arm berührt und seine Wange mit der Hand gestreift hatte.
    Er roch den sauberen Duft von Gras, das aus Beton herauswächst.

Donnerstagnacht
    Iwan setzte das Nachtsichtglas ab und schaute zu dem ersten Stern auf, der am Himmel erschienen war. Er wollte, dass auch
     die anderen Sterne herauskamen, jene Sterne, die er am Vorabend über Judith hatte leuchten sehen, als er vor ihr im Schlick
     kniete. Er hatte ihren metallischen Geschmack noch auf der Zunge.
    Als er das Fernglas wieder ansetzte, entdeckte er den Polizisten, der vorsichtig auf der Straße näher kam und nun das erste
     der alten Raketensilos erreicht hatte, das, wie Iwan wusste, aus vier Meter Beton unter einer zwei Meter tiefen Erdaufschüttung
     bestand. Er sah, wie der Polizist mit einer Taschenlampe in den Eingang leuchtete.
    So etwas hatte er schon oft gesehen. Männer, die auf eigene Faust in einen verlassen wirkenden Unterschlupf von Partisanen
     vordrangen, statt ihre Kameraden zu Hilfe zu rufen. Achtzehnjährige waren das gewesen, die nach gerade einmal neun Wochen
     Grundausbildung direkt nach Tschetschenien geschickt worden waren.
    Der Polizist hatte Judith aufgetragen, Iwan auszurichten, dass er ihm etwas sagen musste. Er hatte keine Ahnung, was ihn hier
     erwartete.
     
    Fletcher trat ins Innere. Es war wie ein riesiges Maul: ein haushoher, dunkler, höhlenartiger Raum zwischen zwei Betonlippen,
     die im Licht der Taschenlampe schimmerten.
    Oben wölbte sich eine Decke aus breiten Betonrippen. Der Raum war vollkommen leer: keinerlei bewegliche oder festinstallierte Gegenstände, nichts von Menschenhand Gemachtes, mit Ausnahme des Betons. Es waren auch keine Menschen da.
     
    Iwan beobachtete, wie der Polizist aus dem ersten Silo kam und über dem Asphalt auf das zweite zuging. Im rötlichen Infrarotlicht
     des Nachtsichtgeräts erkannte man den dünnen Schatten, den die Gestalt im Mondlicht warf.
    Der Polizist ließ das zweite Silo hinter sich und näherte sich dem dritten. Dieses Silo war das größte, das Leittier einer
     Herde von Betonkolossen. Iwan sah, wie die Taschenlampe des Besuchers über die Außenfläche zuckte, als dieser sich ein Bild
     von den riesigen Ausmaßen verschaffte. Dann trat er ein.
    Iwan packte das Nachtglas ein, bedeutete Berlitz, ihm zu folgen, und stand auf. Berlitz reckte sich, streckte die Arme, ballte
     die Fäuste und lockerte den Nacken.
    »Gotowyj?«
    »Prestupaj.«
    Sie hatten auf einer der Kuppeln gelegen und stiegen jetzt hinunter. Dann gingen sie über die Straße auf das riesige Silo
     zu.
    Gleich war es so weit.
     
    Das Silo war mit einer Wellblechwand verschlossen, in der eine einzige Tür den Weg in einen stockfinsteren Innenraum freigab.
     Fletcher trat ein und leuchtete mit der Taschenlampe in alle Richtungen. Wieder ein Gewölbe aus Betonrippen, diesmal so hoch
     wie drei Stockwerke. Auf dem Boden Staub, und Feuchtigkeit an den Wänden. Trotz der Wärme draußen sah er hier drinnen seinen
     Atem im Licht der Taschenlampe.
    »Diese Yankees liebten Beton, mein Freund.«
    Fletcher drehte sich um. Hinter ihm stand Berlitz und blickte zum massiven Deckengewölbe hinauf. Fletcher richtete den Strahl
     der Taschenlampe auf ihn: dieselben knöchelhohenSportschuhe, dieselbe Segeltuchhose, nur war die Brust unter der Lederjacke diesmal nackt. Er wirkte gut in Form, war leicht
     gebräunt, und die Augen glitzerten im Schein der Taschenlampe.
    »Wo ist Iwan?«, fragte Fletcher.
    »Draußen. Und ich glaube, er hat einen Vorschlag für Sie.«
     
    Als Sal im Gewühl von Stansted Airport eincheckte, läutete ihr Handy. Sie nahm ab und kramte dabei weiter nach ihrem Reisepass.
    »Ja?«
    Ein Geräusch wie das Kreischen einer Seemöwe. Nein, es war tatsächlich das Kreischen einer Seemöwe.
    »Miss Moresby?«
    »Tony Olland, sind Sie das?« Sie stellte sich vor, wie der kürzlich geschorene Stoppelbart des Informanten hässlich über die
     Sprechmuschel kratzte. »Wo sind Sie denn, verdammt noch mal?«
    »In Lowestoft.«
    »Aha.« Sie nahm ihre Bordkarte entgegen und ging zum Gate. »Und was ist das für ein Gefühl?«
    »Ein bisschen langweilig. Es riecht überall nach Fisch.«
    »Ich meine, was ist das für ein Gefühl, mich hängen zu lassen? Wie eine Ratte ins Loch zu huschen . . .«
    »Tut mir leid . . .«
    ». .. nur aus Angst vor zwei blöden Russen.«
    Tony Olland überschrie nun die Möwen, leicht lallend. »Es ging nicht um die Russen. Sondern um die anderen.

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