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Tod einer Verrückten

Tod einer Verrückten

Titel: Tod einer Verrückten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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zu tun hätte, was passiert ist. Trotzdem sollten Sie es wissen, weil sie sonst nie Besuch bekommen hat. «
    »Gut gemacht. Und von wem haben Sie das erfahren? «
    »Von der jungen Frau, die unter ihr wohnt, als sie heute früh eine Flasche Wein gekauft hat. «
    »Verstehe. Dann sind die beiden also aus Arezzo zurück? «
    »Seit gestern abend, ziemlich spät. Sie haben gewußt, daß sie bei ihrer Mutter waren, nicht wahr? «
    »Ja, habe ich.« Es verschaffte dem Maresciallo eine gewisse Genugtuung, etwas zu wissen, ohne daß Franco es ihm gesagt hatte. Aber sogleich verpaßte ihm Franco einen Dämpfer: »Ja, sicher, ich erinnere mich, daß Maria Pia gesagt hat, Sie hätten gestern bei ihr geklingelt. «
    »Hmm … Haben Sie eine Beschreibung des Fremden bekommen? «
    »Was genau meinen Sie damit? «
    »Hat diese junge Frau … Wie heißt sie eigentlich? «
    »Signora Rossi. «
    »Hat Ihnen diese Signora Rossi gesagt, wie der Mann ausgesehen hat? «
    »Aber ja. Ganz, genau. Wissen Sie, sie hat ihn auf der Treppe gesehen, als er hinaufgegangen ist, und dann hat sie gewartet, bis er wieder herunterkam, und ihn sich genau angesehen. «
    »Warum hat sie sich denn so für ihn interessiert, daß sie abgewartet hat, bis er heruntergekommen ist?« So etwas machten alte Leute, die nichts Besseres zu tun hatten, als ihre Nachbarn zu beobachten, aber für eine junge Frau war es merkwürdig. Freilich hatte sie auch aus der Tür geschaut, als der Maresciallo zum ersten Mal zu Clementinas Wohnung hinaufgegangen war. »Ist sie neugierig? «
    »Nein, das würde ich nicht sagen. «
    »Warum hat sie dann gewartet, bis er wieder heruntergekommen ist? «
    »Das weiß ich auch nicht … «
    Du willst es mir nicht sagen, dachte der Maresciallo, aber ich finde es schon heraus .
    »Wie hat er denn ausgesehen? «
    »Also, groß war er nicht, hat sie gesagt, aber dick, eher untersetzt, mit einem feisten Stiernacken. Er war fast kahlköpfig, obwohl er noch gar nicht so alt war. Richtig brutal hat er ausgesehen, hat sie gesagt – ach ja, und beim Gehen hat er das eine Bein nachgezogen. «
    »Sonst noch was? Wie war er angezogen? «
    »An dem Tag hat es geregnet, und er trug einen dunklen Regenmantel. Warten Sie … er hatte einen protzigen Ring mit einem Stein am Finger, hat sie gesagt, so groß wie ein Totschläger. Er hat ihr richtig Angst eingejagt. «
    »Warum? Er ist doch zu Clementina hinaufgegangen, oder? «
    »Trotzdem, immerhin war er im Haus, und er muß ziemlich fies ausgesehen haben. Tja, das ist alles. Mehr weiß ich auch nicht. Anscheinend hat ihn sonst niemand gesehen. «
    »Um welche Tageszeit ist er denn gekommen? «
    »Mittags. Wahrscheinlich ist das der Grund, warum ihn sonst niemand gesehen hat, weil hier alle etwa um dieselbe Zeit essen. «
    »Verstehe. Ich bin Ihnen sehr dankbar. «
    »Glauben Sie, das könnte er gewesen sein? «
    »Was meinen Sie damit? «
    »Der Mann. Sie wissen schon …« Er senkte seine ohnehin leise Stimme zu einem Flüstern: »Könnte das der Mann sein … der es getan hat? Keine Sorge, ich rufe von der Wohnung aus an, nicht aus der Bar. Ich wollte nicht, daß jemand zuhört. «
    »Sehr vernünftig. Ich melde mich wieder.« Damit legte der Maresciallo auf, ohne Francos Frage zu beantworten .
    Ob das »der Mann« war oder nicht, ließ sich nicht sagen. Mindestens genauso interessierte den Maresciallo die Frage, was mit dem Paar in der unteren Wohnung los war. Na ja, auch das würde warten müssen. Erst mußte er sich um den mißmutigen Staatsanwalt und die Sache mit San Salvi kümmern. Wieder ging er die Treppe hinunter und holte währenddessen seine Sonnenbrille hervor; diesmal rief ihn niemand zurück. Als sein Telefon das nächste Mal zu klingeln begann, fuhr er bereits die Uferstraße entlang. Wäre er dagewesen, um abzunehmen, hätte er genau denselben Weg machen müssen und auch dann nicht gewußt, daß er in eine Sackgasse führte .
    Die Tore der psychiatrischen Anstalt standen offen, und die mit Bäumen gesäumte Einfahrt war ruhig und verwaist bis auf die zwitschernden Vögel. Als der Maresciallo an einem Wohnhaus mit geschlossenen Fensterläden vorbeifuhr, begann er sich zu fragen, ob er am Ende auch hier niemanden antreffen würde, weil August war. Er hatte noch nie einen Grund gehabt, hierherzukommen, wußte aber, wie jedermann in Florenz, daß San Salvi wegen eines neuen Gesetzes zur Abschaffung psychiatrischer Anstalten eigentlich vor zehn Jahren hätte schließen müssen. Allerdings

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