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Tod einer Verrückten

Tod einer Verrückten

Titel: Tod einer Verrückten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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wußte er auch, was nicht jedermann wußte, daß diese Einrichtung nach wie vor im Interesse chronisch psychisch Kranker, die sonst nirgendwo unterkamen, in Betrieb war .
    Er kam an einem zweiten verlassenen Gebäude vorbei. Waren die Patienten womöglich für einen Monat irgendwo anders untergebracht worden? Zu seiner Erleichterung bemerkte er vor dem nächsten Haus ein paar Autos und sah jemanden durch den Haupteingang verschwinden. Er parkte sein Auto neben den anderen, legte seine Sonnenbrille ins Handschuhfach, stieg aus und sperrte ab .
    »Hallo. «
    Der Maresciallo sah sich blinzelnd um, sah zunächst aber niemanden, da sich seine Augen noch nicht an die plötzliche Helligkeit gewöhnt hatten .
    »Hallo. «
    Rechts von ihm auf dem Rasen im Schatten einer Magnolie stand ein großer, dicker Mann. Er trug eine Baumwollhose und ein verdrecktes weißes T-Shirt, unter dem der gewaltige nackte Bauch hervorschaute, und stand so unbeweglich da, daß er auf Anhieb nur schwer auszumachen war .
    »Hallo«, wiederholte er .
    »Guten Morgen«, antwortete der Maresciallo .
    »Hallo. Hallo.« Sichtlich zufrieden wandte sich der fette Mann ab, ließ die Hose herunter, hockte sich hin und erleichterte sich ins Gras .
    Der Maresciallo steckte die Autoschlüssel in die Hosentasche und betrat das Gebäude. Er gelangte in eine kahle Eingangshalle, deren weißgetünchte Wände überall abgestoßen waren. Auf der rechten Seite befand sich eine Portiersloge. Der Portier hinter dem Fenster war in seine Zeitung vertieft. Statt an die Glasscheibe zu pochen, klopfte der Maresciallo an die Tür und trat ein .
    »Guten Morgen. Ich bin Maresciallo Guarnaccia. Ich würde gern mit … «
    Aber der Portier war bereits aufgesprungen, griff nach dem Telefonhörer und sagte, während er wählte: »Ich rufe sofort den Archivar. «
    »DenArchivar?«DerMaresciallorunzeltedieStirn .
    »Eigentlich wollte ich den Direktor sprechen. «
    »Den Direktor? Hier gibt es keinen Direktor … Hallo? Mannucci? Die Carabinieri haben jemanden hergeschickt. Ich schicke ihn gleich zu Ihnen, einverstanden? Ja … in Ordnung.« Er legte auf. »Mannucci kommt und holt Sie ab. Ich kann die Pforte nicht unbewacht lassen. Sie waren wirklich schnell da, das muß ich sagen. «
    »Was soll das heißen? «
    »Mannucci hat Sie doch rufen lassen, oder? «
    »Mich hat niemand gerufen, soviel ich weiß. «
    »Na, das ist vielleicht eine Überraschung. Da ist er. «
    Ein geschäftiger, grauhaariger Mann erschien an der Tür der Pförtnerloge. Er hatte ein sympathisches Gesicht und sehr helle Augen, wirkte aber besorgt .
    »Ah, guten Morgen, Maresciallo.« Er gab dem Maresciallo energisch die Hand. »Das ging ja wirklich sehr schnell. Bitte, kommen Sie mit. «
    Ohne zu protestieren, folgte der Maresciallo dem Archivar durch mehrere Gänge bis in dessen Büro, wo dieser ihm einen Stuhl vor dem Schreibtisch anbot. Der Schreibtisch und seine Umgebung bildeten eine kleine farbenfrohe Insel inmitten eines grauen Ozeans. An den Wänden hingen Reproduktionen von Gemälden, und die vielen Fotos und persönlichen Gegenstände auf dem Schreibtisch verliehen dem Ganzen eine menschliche Note und bildeten einen wohltuenden Kontrast zu der ansonsten ungebrochenen Gleichförmigkeit der metallenen Aktenschränke, die den restlichen Raum einnahmen. Auf dem Boden lag ein verstaubter Stapel alter Akten, mit brauner Tinte krakelig von Hand beschriftet, der noch deprimierender wirkte als die eisgrauen Schränke .
    »Das ist eine Art Hobby von mir«, sagte Mannucci, der den Blick des Maresciallo verfolgt hatte. »Diese Akten enthalten Berichte über Todesfälle in der Anstalt seit deren Bestehen. Inzwischen bin ich beim Jahr 1919 angelangt. Ich stelle einen Überblick über die Geschichte dieser Einrichtung zusammen, bevor sie ganz und gar verschwindet. Aber ich will lieber nicht von meinem Steckenpferd anfangen, sonst halte ich Sie noch den ganzen Tag auf. Ich habe Sie rufen lassen, ob zu Recht oder zu Unrecht … «
    »Einen Augenblick«, unterbrach ihn der Maresciallo .
    »Bevor Sie weiterreden, ich weiß nicht, wen Sie gerufen haben und warum, aber ich bin nicht deshalb hier. Ich bin aus eigenem Antrieb hier, um Nachforschungen in einem Fall anzustellen, mit dem ich mich im Augenblick beschäftige. Wen Sie auch gerufen haben, der Betreffende wird ohne Zweifel bald aufkreuzen, aber wenn Sie nichts dagegen haben … «
    Das Telefon läutete .
    »Entschuldigen Sie mich … Am Apparat. Stellen Sie durch

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