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Tod einer Verrückten

Tod einer Verrückten

Titel: Tod einer Verrückten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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sie geschrieben habe. «
    »Aber um den zu schreiben, mußten Sie doch mit ihr reden und ihr Fragen stellen. «
    Der junge Reporter begann schallend zu lachen. »Das habe ich versucht! Aber es hat mir so wenig genützt, daß ich es mir ebensogut hätte sparen können. Sie hat allen möglichen Unsinn erfunden. Ich erinnere mich noch, daß sie zum Beispiel behauptet hat, sie würde im Sommer eine Kreuzfahrt machen. Daraufhin rief ein Nachbar: ›Aber klar doch, den Arno runter!‹ Das war draußen auf dem Platz, deshalb sind natürlich alle um uns herumgestanden, haben mitgemacht und sie auf den Arm genommen. Der, der sich den Scherz mit dem Arno erlaubt hatte, bekam einen Hieb – mit Clementinas Handfeger, den sie nie aus der Hand gelegt hat, nicht mal für den Fotografen .
    ›Und wer bezahlt deine Kreuzfahrt?‹ wollte ein anderer wissen. ›Etwa der Papst? Hast du ihn deshalb angerufen?‹ ›Nicht der Papst, obwohl ich vielleicht mal hinfahre und ihn besuche. Ein Mann, den ich kenne, der zahlt für mich.‹ ›He, Clementina! Wenn du mit einem anderen Mann fortgehst, ist es aus zwischen uns.‹ Der Kerl hat versucht, sie zu umarmen, aber sie hat sich vehement gewehrt und ist mit ihrem Handfeger auf ihn losgegangen. Ihr Gesicht war ganz rot, aber man sah ihr an, daß sie es genossen hat, im Mittelpunkt zu stehen. Dann hat sie aufgehört, um sich zu schlagen, und zu kichern angefangen .
    ›Na gut, vielleicht fahre ich doch nicht.‹ ›Du fährst, Clementina, und wir fahren alle mit.‹ Und dann fingen sie an zu singen. Sie können sich vorstellen, wieviel brauchbares Material ich für meinen Artikel bekommen habe. Anschließend sind wir noch in die Bar gegangen und haben was getrunken, und ich habe mich mit einem gewissen Franco unterhalten – ich weiß nicht, ob Sie den kennen. «
    »Ich kenne ihn. «
    »Tja, er war der einzige, von dem ich was Brauchbares erfahren habe, und er war es auch, der schließlich hinausgegangen ist und ihnen das Maul gestopft hat, weil sie alle außer Rand und Band waren. Mehr weiß ich nicht … Ich habe Ihnen ja gesagt, daß ich Ihnen nicht viel nützen werde. «
    »Trotzdem vielen Dank. «
    »Wenn Galli hiergewesen wäre … «
    »Macht nichts. Mir ging es wirklich nur um das Foto, aus einem ganz bestimmten Grund. Aber jetzt halte ich Sie nicht mehr länger von der Arbeit ab. «
    Wieder lachte der junge Mann. »Wenn Sie es genau wissen wollen, ich miste meine Schreibtischschublade aus, um die Zeit totzuschlagen. Schon erstaunlich, was man so alles findet, wenn man nicht danach sucht. «
    Nachdem der Maresciallo aufgelegt hatte, starrte er auf das Foto aus der Zeitung vom Vortag, die er einem Parkwächter unten im Büro abgeschwatzt hatte. In seinem Kopf herrschte Leere. Nur wenige Wochen später, als die erste schwache Brise die Septemberluft auffrischte, mußte er sich über sich selbst wundern. War es seine angeborene Dummheit oder war es die Hitze, die die kleinste geistige oder körperliche Anstrengung gewaltig erscheinen ließ? Was hätte es ihn denn gekostet, auf den Vorschlag des jungen Reporters einzugehen und mit Galli zu reden? Rückblickend gar nichts. Und es hätte ein Menschenleben gerettet. Aber im Augenblick fühlte sich sein Hirn, das ohnehin nicht sehr leistungsstark war, wie ein weichgekochter Blumenkohl an. Es speicherte zwar die Tatsachen, aber dann lagen sie träge herum, bis es zu spät war. So saß er da, starrte auf Clementinas vor Aufregung leuchtende Augen, die ihn über den Griff ihres Handfegers hinweg ansahen, und seine Gedanken, sofern man sie als solche bezeichnen konnte, kreisten unaufhörlich um dieselbe Frage: Warum gab es in ihrer Wohnung keine Fotos? Warum hatte sie allem Anschein nach auch keine Vergangenheit? Das Problem war nicht, daß das die falschen Fragen gewesen wären. Im Gegenteil, es waren genau die richtigen, nur konnte er einfach keine Antworten darauf finden. Er schwitzte und war erschöpft und hatte von sich selbst die Schnauze voll. Das alles war noch nachvollziehbar, aber daß er es fertigbrachte, dazusitzen und das Foto von Clementina anzustarren, ohne den Artikel darunter zu lesen, überstieg jegliches Vorstellungsvermögen, selbst das eines Mannes, der, wie seine Mutter zu sagen pflegte, »im Stehen schlafen« konnte .
    Zum Glück, wenn man es so nennen durfte, ließ er den Zeitungsartikel auf seinem Schreibtisch liegen, während er unwichtigen Papierkram erledigte. So konnte er zumindest das Gesicht wahren, als eine halbe

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