Tod eines Centurio
ihm Siege erringen werden, nicht die politischen Lakaien mit ihren purpurnen Schärpen.«
Ich hätte gleich hier an Ort und Stelle mein Schwert gezogen, doch dafür hätte Caesar mich hinrichten lassen können. Nach Militärrecht hatte Vinius nichts Ungesetzliches getan. Ich versuchte, an seinen gesunden Menschenverstand zu appellieren.
»Wenn du nicht willst, daß die Männer deiner Sklavin hinterher gaffen, solltest du ihr ein paar züchtigere Kleider besorgen. Diese Frau ist eine Bedrohung für die Moral der ganzen Truppe.«
»Mit meinem Besitz mache ich, was ich will.«
»Aber auf mich bist du mit deinem Stab nicht losgegangen«, bemerkte ich. »Ich habe sie genauso angestarrt wie er.«
»Du bist ja auch keiner von meinen Leuten«, sagte er mit einem schrägen Grinsen. »Außerdem bist du ein römischer Offizier. Du kannst starren, soviel du willst. Solange du nichts anfaßt.«
Meinen Status auszuspielen, hatte nichts bewirkt. Der gesunde Menschenverstand war kläglich gescheitert. Nun gut, wenn es um Centurionen ging, blieb immer noch die Gier. Ich griff unter meinem Gürtel nach meiner Börse. »Also gut, Vinius. Wieviel, damit du den Jungen in Ruhe läßt?«
Er spuckte vor meine Füße. »Behalte dein Geld, Aristokrat. Er gehört mir, die Frau gehört mir, und diese Legion gehört in Wahrheit auch mir. Ich bin der Erste Speer der Zehnten.
Prokonsuln kommen und gehen, aber der Erste Speer behält sein Kommando.«
Ich war fassungslos. Ich hatte noch nie von einem Centurio gehört, der ein Bestechungsgeld ausgeschlagen hatte. »Ich werde über diesen Zwischenfall mit Caesar sprechen.«
»Nur zu. Das ist doch das einzige, wozu ihr Politiker taugt, oder nicht? Reden!« Im Zelteingang hinter ihm, dort, wo eben das Mädchen gestanden hatte, war jetzt ein zwergenhafter kleiner Mann erschienen, der mein Unbehagen mit einem zahnlückigen Grinsen registrierte. Er hatte wirr in alle Richtungen abstehendes, rotes Haar wie ein Ungeheuer. Ich wandte mich ab. Die Situation war mir bereits so weit entglitten, daß ich nicht einmal dem Blick eines mißgebildeten Sklaven standhielt.
Ich drehte mich um und ging davon, von dem brennenden Wunsch erfüllt, eine beißende Bemerkung zu machen, was mich jedoch nur noch schwächer und harmloser hätte aussehen lassen. Wenigstens quittierte Vinius meinen Rückzug nicht mit Gelächter.
Dieser Wortwechsel mag Menschen, die ihr ganzes Leben in der Nähe des Forums zugebracht haben, unglaublich erscheinen, doch die Armee ist eine völlig andere Welt. Ein Mann, der sich die Position eines Centurio verdient hat, ist beinahe so unantastbar wie der Tribun des Plebs. Man erwartet von ihm, daß er für strikte Disziplin sorgt, also kann man ihn nicht für seine Brutalität tadeln. Er kann praktisch alles mit seinen Männern machen, solange er sie nicht umbringt. Die Annahme von Bestechungsgeldern, mit denen Untergebene einer Bestrafung oder lästigen Pflichten zu entgehen versuchen, gilt seit Jahrhunderten als eines der Privilegien dieses Ranges. Nur Feigheit vor dem Feind ist ein Grund, einen Centurio zu bestrafen, und wenn Centurionen auch alles mögliche sind, Feiglinge sind sie für gewöhnlich nicht.
Was seine Charakterstärke und seine Moral angeht, hat ein Centurio nur wenig Ebenbürtige. Die Leute glauben oft, daß Straßenbanditen und Gladiatoren hartgesottene Gesellen seien, doch das liegt daran, daß sie nie einen römischen Centurio mit zwanzig Jahren erbarmungsloser Feldzüge auf dem Buckel getroffen haben. Jede Centurie wird von einem Centurio kommandiert, und jede Legion verfügt über sechzig Centurien.
Der Erste Speer ist immer der härteste Bursche des ganzen Haufens.
Da mein Hunger verflogen war, ging ich zum Waffenschmied, um mein Kettenhemd ändern zu lassen und mich ein wenig zu beruhigen. Ich wußte, daß es töricht gewesen wäre, mit wutverzerrtem Gesicht zu Caesar zu stürmen.
Während der Waffenschmied arbeitete, begutachtete ich seinen Vorrat an gebrauchten Waffen. Und nachdem ich mir eine geeignete Ausstattung zusammen gesucht hatte, hatte ich auch meinen philosophischen Gleichmut wieder gefunden. Ich kaufte mir ein gallisches Langschwert, daß für den Kampf zu Pferde weit besser geeignet war als das Schwert, das ich besaß, außerdem noch ein altes, aber solides Gladius sowie die dazugehörigen Scheiden und Schultergurte.
Vor meinem Zelt wartete Hermes auf mich. Er hatte auf einem Falttisch, den ich zusammen mit einem Klappstuhl mitgebracht hatte,
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