Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod eines Centurio

Tod eines Centurio

Titel: Tod eines Centurio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
Vom Netzwerk:
etwa auf gleicher Höhe. Jeder ihrer einzelnen Gesichtszüge hätte sie aller Schönheit berauben müssen; ihr Kinn war zu lang und schmal, ihre Augen zu eng beieinander, ihre Nase zu lang und dünn, ihr Mund zu breit mit zu vollen Lippen, die von zu großen Zähnen auseinander gedrängt wurden. Aber alles zusammen genommen war die Wirkung überwältigend.
    Ihr dichtes, goldblondes Haar fiel über ihre Schultern bis auf die Hüfte und bildete einen seltsamen Kontrast zu ihren geraden, gleichmäßigen, dunklen Augenbrauen. Ihre Augen waren von einem eisigen Blau, blasser noch als die der Gallier, ihre Haut weißer als die Toga eines Kandidaten, ihr Körper schlanker als die Peitsche eines Wagenlenkers, aber ebenso kräftig und geschmeidig. Und dieser Körper war durch ihre knappe Tunika aus rotem Fuchsfell nur höchst unzureichend bedeckt.
    Wer nun vermutet, daß diese Frau einen starken ersten Eindruck hinterließ, liegt keineswegs falsch. So stand sie, einen Krug auf dem Kopf balancierend, vor dem Zelt und war sich der Aufmerksamkeit, die sie erregte, durchaus bewußt, auch wenn sie sie mit Verachtung strafte. Sie sah nicht nur aus wie eine Göttin, sie hielt sich auch wie eine. In der Bewegung kann jeder Athlet gut aussehen, aber nur wenige Sterbliche verfügen über die Fähigkeit, selbstbewußt zu stehen. Römische Staatsmänner mühen sich jahrelang ab, eine derartige Würde und Selbstbeherrschung zu erlangen.
    Und hier war diese Gottgleichheit in einem germanischen Sklavenmädchen verkörpert.
    Meine leicht verwirrten Gedanken wurden durch das häßliche Klatschen von Holz auf nackter Haut und dem dumpfen Aufprall eines Körpers jäh unterbrochen. Ich drehte mich um und sah den jungen Burrus am Boden liegen. Über ihm stand Titus Vinius mit seinem erhobenen Stab, den er auf Burrus' Schultern niedersausen ließ. Er mußte ihn vorher eingeölt haben, denn der Stab bog sich, ohne zu brechen.
    »Hast du nicht genug Arbeit, du fauler kleiner Mistkerl?« Der Stock sauste noch dreimal nieder.
    Ein Offizier sollte sich nie einmischen, wenn ein Centurio einen seiner Männer diszipliniert, doch das war zuviel. Ich packte sein Handgelenk, bevor er ein weiteres Mal zuschlagen konnte. Er trug eine silberne Kette, eine Auszeichnung für Tapferkeit in irgendeiner vergangenen Schlacht, die sich unter meinem Griff leicht spannte.
    »Das reicht, Centurio! Er ist ein Klient von mir. Ich habe ihm Neuigkeiten von Zuhause überbracht.«
    Die Augen, die mich anstarrten, legten die Vermutung nahe, daß der Mann nicht ganz bei Sinnen war. »Es ist mir egal, ob er der hohe Priester des Jupiter ist. Ich habe gesehen, was er getan hat! Und jetzt laß meinen Arm los, Hauptmann. Du mischst dich in Dinge ein, die dich nichts angehen.« Er schien seine Selbstbeherrschung wiedergewonnen zu haben, und ich ließ ihn los. Er senkte den Stab, trat jedoch mit seinen Nagelschuhen in Burrus' Rippen.
    »Steh auf, Burrus! Wenn du nichts Besseres zu tun hast, als hier herumzustehen und mein Eigentum zu begaffen, schließ dich dem Latrinendienst an.« Er wandte seinen zornigen Blick den anderen Männern zu. »Soll ich für euch auch noch Arbeit finden?« Doch sie arbeiteten bereits fieberhaft und sahen überallhin, nur nicht zu der Frau. Ich bemerkte, daß alle Blutergüsse hatten, auch wenn keiner von ihnen so gezeichnet war wie Burrus. Die Sklavin ging an uns vorbei, ohne uns eines Blickes zu würdigen, so als würden wir gar nicht existieren.
    Selbst unter den gegebenen Umständen mußte ich mich anstrengen, ihr nicht hinterher zustarren.
    Burrus kämpfte sich auf die Beine, vor Schmerzen gekrümmt, das Gesicht vor Wut und Scham feuerrot. Er sah mich nicht an, und auch mir war es überaus peinlich, Zeuge seiner Erniedrigung zu sein. Er zog seine Waffen aus einem der pyramidenartigen Stapel und stapfte davon.
    »Das war völlig übertrieben, Centurio«, sagte ich, bemüht, meine Stimme ruhig zu halten. »Er hat schließlich nicht im Dienst geschlafen.«
    »Ich kann mit meinen Männern umgehen, wie es mir paßt, Hauptmann«, sagte er, die Worte mit unglaublicher Verachtung hervorbringend. »Das solltest du immer bedenken.«
    »Du vergreifst dich ein wenig im Ton, Titus Vinius«, sagte ich so hochmütig, wie ich konnte, und als Caecilius Metellus gelang mir das besser als den meisten Menschen.
    Er kräuselte leicht die Lippen. »Das hier ist Caesars Armee, Metellus. Caesar hat begriffen, daß die Centurionen den Laden schmeißen. Wir sind diejenigen, die

Weitere Kostenlose Bücher