Tod eines Centurio
erbeutet hatten, rannten los, um sie ihren Freunden zu zeigen. Gallier halten große Stücke auf derartige Trophäen und dekorieren sogar ihre Schreine und Häuser damit.
Sie glauben, der Kopf sei der Ort vieler Tugenden wie Mut und Weisheit. Die Römer glauben, daß diese Fähigkeiten in der Leber wohnen. Ich persönlich bin da neutral, würde jedoch auf beides nur ungern verzichten.
Für den Abend hatte Caesar die Gesandten zu einem Mahl geladen, so daß ich Gelegenheit erhielt, sie eingehender zu betrachten. Bei den Helvetiern handelte es sich um Stammesälteste, die mit buntgemusterten Umhängen bekleidet waren und ein Übermaß an massiv goldenem Schmuck trugen.
Die Druiden hatten, abweichend von der gallischen Sitte, Vollbärte, lang und weiß wie die beiden älteren Priester oder kurz und rot wie im Falle eines jüngeren Mannes. Im Gegensatz zu den beiden anderen trug der junge Mann keinen silbernen Stirnreif; ich nahm an, daß es sich um einen Lehrling oder Novizen handelte. Alle drei hatten schlanke Hände mit langen Fingern, die offenbar nie durch körperliche Arbeit oder eine Ausbildung an den Waffen schwielig geworden waren. Mit ihren langen weißen Umhängen und ihren Stäben hätten sie genauso gut Herolde sein können.
Die drei Germanen waren hochgewachsene, aber stämmige Männer, deren Haar- und Barttracht von einem dunklen Gold bis zu einem fast strahlenden Weiß reichte. Ihre blasse Haut war an der Luft rauh und rot geworden. Der Abend hatte sich deutlich abgekühlt, doch sie trugen lediglich kurze Tuniken aus Wolfsfell und Fellstrümpfe, die ihnen nur bis an die Knie reichten. An ihren Gürteln hingen lange Schwerter, und sie stützten sich auf Speere, die ganz aus Eisen geschmiedet waren. Sie blickten mit Augen um sich, die von einem so blassen Blau waren, daß man sie für blind hätte halten können, bis sie einen mit ihrem Adlerblick fixierten.
In dem großen steinernen Amphitheater von Capua hatte ich einmal einen hyrcanischen Tiger gesehen, den ersten, der je nach Italien gebracht worden war. Als er in die Arena schritt, war ich von seiner immensen Schönheit fasziniert gewesen, doch durch seine Größe und Art, wie er seine Umgebung ignorierte, wirkte er langsam und träge wie ein großer Löwe.
Dann bemerkte er den riesigen Kampfstier, der gegen ihn antreten sollte, schoß plötzlich wie ein goldschimmernder Lichtstrahl durch die Arena und hatte das sehr viel größere Tier so blitzschnell zu Boden gerungen, daß es einem wie Zauberei erschien. Der Tiger war eine Sensation und kämpfte viele Jahre dort. Für mich war er der Inbegriff todbringender Wildheit.
Als ich jetzt diese Germanen sah, mußte ich an jenen Tiger denken. Das waren nicht die halbgallifizierten Germanen, die entlang des Flusses lebten. Dies hier waren die Originale, Wilde aus den tiefen Wäldern weit jenseits des Rhenus.
Das Abendessen war nicht ganz so karg wie am Abend zuvor, doch es war auch nicht gerade ein Bankett. Man hatte ein paar Köstlichkeiten bei den Händlern erworben, und ein Jagdtrupp hatte ein Wildschwein mitgebracht, doch die Gesandten mochten keine Oliven und schienen auch unsere fermentierte Fischsauce eher abstoßend zu finden. Nun, über Geschmack läßt sich nicht streiten. Mir fiel auf, daß die Druiden keine tierische Nahrung zu sich nahmen, nicht einmal Eier.
Nach dem Essen hielt Caesar hof. Als erster ergriff der Anführer der helvetischen Delegation das Wort. Gegen die Kälte des Abends hatte er sich einen voluminösen Umhang um den Körper gewickelt, dessen verwirrende Webmuster aus Karos und Streifen sich schwindelerregend kreuzten und überlappten.
An der Schulter wurde der Stoff von einer goldenen Spange von mindestens zwanzig Zentimeter Durchmesser zusammen gehalten. Die Rede des Helvetiers wurde von einem angesehenen römischen Kaufmann übersetzt, der sein ganzes Leben lang in Gallien gelebt hatte, doch ich hielt Lovernius dicht neben mir, um sicher zu gehen, daß die Übersetzung auch genau war.
Ich werde gar nicht erst versuchen, hier die zahlreichen ausschweifenden Bilder, Redewendungen und Umschreibungen wiederzugeben, die der Gesandte verwendete, denn die gallische Begeisterung für Rhetorik übersteigt sogar die römische Liebe zu dieser Kunst. Statt dessen werde ich mich auf das Wesentliche beschränken, was seine Rede erheblich verkürzt.
»Verehrter Prokonsul von Rom, ich, Nammeius, Hauptling der Helvetier, spreche hier zu dir im Namen des glorreichen, mächtigen und
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