Tod eines Centurio
große Mühe, die mit der Rodung der steilen Hänge verbunden war, schreckte die Gallier ab; sie hielten dergleichen für Sklavenarbeit. In Wirklichkeit waren die meisten gallischen Bauern selbst kaum mehr als Sklaven, doch auch sie fanden keinen Gefallen an harter Arbeit.
Am Fuße des ersten Hügels erwartete uns eine kleine Gruppe von Carbos Plänklern. »Irgendein Zeichen vom Feind?« fragte Garbo sie.
»Nicht ein einziges Haar«, erklärte ein Decurio.
»Von hier aus gehen wir zu Fuß weiter«, sagte Garbo und stieg von seinem Pferd. »Die Plänkler sollen sich von den Reitern ein paar Fackeln besorgen. Lovernius, du kommst mit uns. Die anderen warten hier. Macht euch auf eine hastige Flucht gefaßt, aber reitet nicht los, bevor wir zurück sind.«
»Bist du sicher, daß das eine gute Idee ist?« erkundigte ich mich nervös. Der Gedanke, mich von meinem Pferd zu trennen, gefiel mir gar nicht. Wenn ich schon fliehen mußte, dann möglichst schnell. In voller Rüstung und in Nagelschuhen hatte ich keine Chance, einer Horde halbnackter Gallier zu entkommen. Es mußte nicht einmal eine ganze Horde sein. Zwei oder drei würden völlig reichen. Vielleicht auch nur einer. Ich hatte eine anstrengende Nacht hinter mir.
»Für Reiter sind die Wälder zu dicht«, meinte Garbo teilnahmslos. »Los.«
Unter der Führung der Späher bewegten wir uns den Hang hinauf. Ich fragte mich, wie Helvetier, die uns möglicherweise beobachteten, unsere Aktivitäten deuten mochten. Unsere fackelbeleuchtete Kavallerie-Prozession mußte meilenweit zu sehen gewesen sein, und die fackeltragenden Plänkler wirkten wahrscheinlich wie leuchtende Zielscheiben.
Unser Aufstieg ging in Totenstille von statten, man hörte nur das leise Klimpern von Kettengliedern gegen Schwertklingen sowie das Zischen und Knacken der Fackeln. Nachttiere verschwanden vor uns in der Dunkelheit. Die Szenerie wirkte ungeheuer bedrückend und beängstigend.
Wir Römer mögen die Wildnis nicht. Wir mögen offenes, kultiviertes Land, von Menschenhand bearbeitet. Die Wüste stößt uns ab, Berge sind nichts als Hindernisse, und Wälder mit ihren wilden Tieren und den Schwärmen gemeiner Geister waren uns unangenehm. Nur die Sänger pastoraler Idyllen gaben vor, die Natur zu lieben, dabei waren ihre von Nymphen und stattlichen Schäfern bevölkerten Haine in etwa so realistisch wie ein Wandgemälde. Die wahre Natur ist chaotisch und gnadenlos.
Bald sah ich vor uns ein schwaches Glimmen. »Wir sind fast da«, sagte Garbo. Selbst einem eisenharten Mann wie ihm ging der Atem schwer. Das war immerhin schon sein zweiter Aufstieg in dieser Nacht.
Plötzlich standen wir am Rand einer Lichtung. Die Späher blieben stehen, bis die Plänkler und schließlich Garbo, Lovernius und ich zu ihnen aufgeschlossen hatten. Die Bäume endeten an einer kreisrunden, moosbewachsenen Fläche von etwa dreißig Schritten Durchmesser. Große, grobe Felsbrocken ragten gen Himmel, und obwohl sie seltsam geformt waren, schienen sie ein Werk der Natur zu sein, Spuren von Hammer und Meißel waren nicht zu erkennen. Riesige Eichen markierten den Rand der Lichtung, und ihre verzweigten Äste bildeten eine Art Dach darüber.
Diese Einzelheiten waren im Licht der glimmenden Überreste eines vormals offenbar riesigen Scheiterhaufens nur undeutlich zu erkennen; jetzt war nur noch knisternde Glut übrig, aus der Rauchschwaden emporstiegen. Es war ein unheimlicher Ort, und ich hatte das unangenehme, aber sichere Gefühl, daß ich etwas betrachtete, was die Griechen Temenos nennen, einen heiligen, den Göttern geweihten Ort.
Garbo betrat die Lichtung und ging auf das Feuer zu. Ich atmete tief ein und folgte ihm. Lovernius und die anderen blieben zurück, bis Garbo sich umdrehte und sie ungeduldig heranwinkte.
»Kommt, bringt die Fackeln mit. Was immer hier geschehen ist, es ist vorbei.«
Voller böser Vorahnungen trat ich ans Feuer. Zu meiner Erleichterung schien es gewöhnliches Holz zu sein, kein Weidengeflecht. Auch entdeckte ich keine halbverkohlten Knochen, wie ich befürchtet hatte. Ich blickte mich auf der Lichtung um. Alles, was ich sah, waren die bedrohlich düsteren Bäume.
»Ich kann nichts entdecken«, sagte ich gleichzeitig erleichtert und enttäuscht. »Das liegt daran, daß du in die falsche Richtung guckst«, sagte Garbo. Er hatte den Kopf in den Nacken gelegt und blickte direkt nach oben.
Die Kopfhaut unter meinem Helm kribbelte und mir lief es eiskalt den Rücken hinunter. Zunächst
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