Tod eines Centurio
sie also dorthin zurück kehren?
Kein Sklave der Welt hat ein bequemeres Leben als ein römischer Haussklave. Warum sollte sie das gegen ein Dorf eintauschen, in der die von Flöhen zerstochene Frau eines Häuptlings sie mieser behandeln würde als einen Hund?«
»Das klingt logisch, aber wer weiß, was im Kopf einer Barbarin vor sich geht? Vielleicht ist ihr miese Behandlung in vertrauter Umgebung lieber?«
»Das würde noch immer nicht das Verhalten Molons erklären.
Der Gauner weiß bestimmt, wessen Stiefel besser schmecken, weil er schon diverse geleckt hat. Er würde das vergleichsweise süße Leben, das er bei mir führt, bestimmt nicht gegen eines auf der anderen Seite des Rhenus eintauschen. Und wenn er schon weglaufen wollte, warum hat er es nicht bei Vinius getan? Der hat ihn geprügelt wie einen Hund.«
»Gute Frage. Ich hoffe, du findest sie, Decius. Wenn du das einzige Gut in ganz Gallien verloren hast, nach dem sich alle die Finger lecken, wirst du als eine noch größere Witzfigur dastehen.«
»Wie wahr«, pflichtete ich ihm bei. »Die Götter lieben mich nicht, Garbo. Ich werde dich jetzt deinem Drill überlassen.
Komm, Hermes.«
Wir gingen ins Lager und begannen, es systematisch zu durch kämmen. »Ich sehe, daß du etwas sagen möchtest, Hermes«, bemerkte ich, als wir durch eine Straße kamen, in der mindestens drei verschiedene Sprachen gesprochen wurden.
»Du und dein Freund redet, als wüßtet ihr alles über Sklaven, dabei wart ihr nie selber welche«, sagte er mürrisch.
»Dann sollte ich vielleicht einen Experten konsultieren. Was hältst du von der Sache?«
»Ich denke, daß sie nicht zu den Germanen oder Galliern geflohen sind, sondern in die andere Richtung, den Fluß hinunter.«
»Richtung Massilia? Warum, um alles in der Welt, sollten sie das tun?«
Er verzog verzweifelt das Gesicht. »Warum? Bist du noch nie auf den Gedanken gekommen, daß jeder Sklave in der Armee weiß, daß die Gallier praktisch täglich einfallen und uns vernichten können? Und diejenigen, die nicht bei dem Gemetzel umkommen, werden wahrscheinlich hinterher geopfert.«
»Du übertreibst den Ernst der Lage«, tadelte ich ihn.
»Römische Armeen werden nur äußerst selten von Wilden ausgelöscht. Im schlimmsten Fall treten wir den geordneten Rückzug flußabwärts an und halten Massilia, bis die Verstärkung eintrifft.«
»Oh, das ist ja beruhigend! Ich habe nicht sehr viel Erfahrungen mit der Armee, aber ich wette, daß sie auf der Flucht keine lästigen Kleinigkeiten wie Packesel, Gepäck und Sklaven mitnimmt.«
»Ich kann verstehen, daß du diese Aussicht ein wenig irritierend findest«, räumte ich ein.
»Ich kann dir versichern, daß eine Menge Sklaven hier darauf vorbereitet sind, Hals über Kopf zu fliehen.«
»Ich nehme doch nicht an, daß du zu dieser hasenfüßigen Truppe gehörst«, sagte ich.
»Meine Loyalität dir gegenüber ist unerschütterlich«, erklärte er in jener aufrichtigen und ehrlichen Art, die das Zeichen des wahrhaft begabten Lügners ist.
»Ausgezeichnet«, bemerkte ich. »Was du sagst, ist nicht völlig unplausibel, aber wie sollten sie entkommen?«
»Massilia ist eine ziemlich große Stadt, und Molon würde als Einheimischer durchgehen. Außerdem ist es eine Hafenstadt. Sie könnten eine Passage irgendwohin lösen. Das nötige Geld würde sich Molon an einem Vormittag zusammen klauen.«
»Wenn es das ist, was ihnen vorschwebt, haben sie Pech gehabt«, erklärte ich ihm. »In der Stadt wimmelt es jetzt von Sklavenhändlern. Sie strömen immer dorthin, wo gerade römische Armeen kämpfen, weil sie nach einer erfolgreichen Schlacht Sklaven zum Spottpreis erwerben können. Und diese Aasgeier erkennen einen entflohenen Sklaven selbst in einer mondlosen Nacht.«
»Daran hatte ich nicht gedacht«, meinte er. »Aber sie vielleicht auch nicht.«
»Molon müßte das wissen.«
In Wahrheit wollte ich nicht glauben, daß sie geflohen waren.
Den Verlust Molons würde ich nicht betrauern, und er würde zweifellos jede sich bietende Gelegenheit ergreifen, seine Lage zu verbessern. In dieser Sache machte ich mir wenig Illusionen.
Aber Freda... ich hatte geglaubt, daß wir in der vergangenen Nacht eine Art gegenseitiges Verständnis entwickelt hatten und daß sie auf ihre rohe und ungebildete Art eine gewisse Zuneigung für mich empfand.
War das Ganze eine kaltblütige List gewesen? Hatte Molon seinen Vollrausch nur vorgetäuscht, während Freda es übernommen hatte, mich zu
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