Tod eines Centurio
niedergeschlagen, wobei dann das Ertrinken als dritter Tod gilt.«
Der dreiköpfige Gott auf Badraigs Stab fiel mir ein, genau wie die gallische Sitte, alles in Dreiereinheiten zu tun. »Glaubst du, die Druiden haben Titus Vinius als Opfer getötet?«
»So muß es gewesen sein! Wer sonst hätte es tun sollen, und warum?«
»Das Warum ist die entscheidende Frage«, sagte ich, während meine Gedanken zur Abwechslung einmal rasten. »Aber ich weiß, daß Vinius einige Nebengeschäfte getätigt hat. Er hat unglaubliche Reichtümer angesammelt. Und die stammen bestimmt nicht aus der Armee. Hat er vielleicht irgendwelche Geschäfte mit den Druiden gemacht? Wenn er sie betrogen hätte - und das würde zweifelsohne zu ihm passen -, könnten sie ihn aus Rache erledigt haben.«
»Ganz ohne Fest für das Volk?« wandte er ein. »Das wäre äußerst eigenartig.«
»In Kriegszeiten müssen wir unsere religiösen Rituale oft vereinfachen«, sagte ich. »Vielleicht haben sie dasselbe getan.
Gehe ich recht in der Annahme, daß Druiden keine Waffen benutzen?«
»Sie benutzen sie nur anläßlich einer Opferung. Es würde sie verunreinigen.«
»Also«, sagte ich, meine Hände ausbreitend, »was spricht dagegen? Schwert und Speer dürfen sie nicht verwenden, also haben sie benutzt, was sie bei sich hatten.« Diese Theorie beantwortete längst nicht alle meine Fragen, doch ich fand, daß sie sich ganz gut anhörte.
»Nun ja, schon möglich«, sagte er, noch immer verlegen.
»Doch da ist noch etwas, oder?« bohrte ich weiter.
»Ja. Was wir vergangene Nacht gesehen haben.«
»Das sah auch aus wie ein Opfer«, meinte ich, »doch du hast gesagt, daß Druiden nie und nimmer auf diese Art geopfert würden.«
»So ist es auch«, bestätigte er und nahm einen weiteren Schluck aus dem Weinschlauch.
»Dann sag mir eins, Lovernius: Wer tötet seine rituellen Opfer durch den Strick?«
»Die Germanen!« sagte er heftig. »In ihren heiligen Hainen erhängen sie ihre Opfer an Eichen. An einem wichtigen Feiertag, den sie nur alle zwölf Jahre begehen, opfern sie zwölf von jedem lebenden Wesen: Männer, Tiere, sogar Vögel und Fische. In einem riesigen Eichenhain unweit des nördlichen Meeres hängen Hunderte von Leichen.«
»Das muß ja abartig stinken«, sagte ich. »Hast du das mit eigenen Augen gesehen?«
»Nein, natürlich nicht. Die einzigen Gallier, die die Riten zu sehen bekommen, sind die, die geopfert werden. Aber ich habe davon gehört. Wie jeder von uns.«
»Ich verstehe.« Wieder mußte ich mich auf Gerüchte verlassen. Doch diese hatten wahrscheinlich einen wahreren Kern als das Hörensagen von Soldaten in einem fremden Land.
»Hast du irgendeine Ahnung, was diese seltsamen Geschehnisse zu bedeuten haben?«
Er schüttelte entschieden den Kopf. »Ich weiß nur, daß solche Dinge nicht geschehen sollten. Ist dies ein Krieg der Menschen oder der Götter?«
»Beides scheint durch einander zu geraten«, erklärte ich.
»Doch ich habe den Eindruck, daß diese mystische Verwirrung nur dazu dienen soll, zutiefst menschliche Missetaten zu verbergen.«
»Wie meinst du das?« fragte er ernst.
Wie sollte ich meine Gedankengänge einer Gruppe von Galliern erklären, selbst wenn sie halbzivilisiert waren? Ich hatte genug Schwierigkeiten, mich meinen eigenen Landsleuten verständlich zu machen, die mit der griechischen Logik aufgewachsen waren und über einen angeborenen gesunden Menschenverstand verfügten. Ich unternahm einen Versuch, und die Gallier lauschten mir gebannt und mit ernsten Gesichtern.
Sie suchten genauso verzweifelt nach Antworten wie ich.
»Lovernius, die Menschen neigen dazu, ihre Handlungen mit sehr vielen, großen Worten zu erklären, wobei sie sich selbst allerlei noble Motive zuschreiben. Sie behaupten beispielsweise, von Vaterlandsliebe oder Hingabe an die Götter geleitet zu sein oder im Interesse des Volkes oder aus Loyalität zu einem König oder sonst einer hehren Sache zu handeln. Für gewöhnlich lügen sie. Viel häufiger sind ihre Motive niedriger Natur. Sie sind hinter Macht, Reichtum oder der Frau eines anderen Mannes her.«
»Das verstehe ich«, sagte Lovernius, »doch hier geht es um religiöse Fragen.« Ich hielt pedantisch den Finger hoch, und der Wein verlieh mir trotz all meiner wirren Gedanken eine erstaunliche Eloquenz. »Jedesmal, wenn Menschen unwürdige Taten begehen und sich mit hochtrabenden Worten und pompösem Getue rechtfertigen wollen, suche ich nach dem schäbigen, dem
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