Tod eines Fremden
weil er sich darüber ärgerte, dass er sie irregeführt hatte. »Außer dass ich bei Mr. Dalgarno kein Fehlverhalten entdecken konnte.« Er unterbrach sich. In ihren Augen lag keine Erleichterung, was ihn nicht überraschte. Als wäre es ihr unmöglich, ihm zu glauben. Wenn überhaupt, dann hatte ihre Anspannung noch zugenommen. Unter dem zarten Stoff ihres Kleides waren ihre Schultern starr, ihr Atem äußerst kontrolliert. Ihm war, als würde sich ihre Anspannung körperlich auf ihn übertragen. Sie schüttelte langsam den Kopf. »Nein … nein …«
»Ich habe alles durchsucht!«, insistierte er. »Es mag Unregelmäßigkeiten beim Ankauf von Land geben …«
»Unregelmäßigkeiten?«, fragte sie scharf. »Was bedeutet das? Ist es ehrlich oder nicht? Ich bin nicht dumm, Mr. Monk. Es sind schon Menschen wegen ›Unregelmäßigkeiten‹, wie Sie das nennen, ins Gefängnis gekommen, wenn diese mit Absicht geschahen und sie davon profitiert haben. Manchmal sogar, wenn sie nicht beabsichtigt waren, man es jedoch nicht beweisen konnte.«
Ein älterer Gentleman verlangsamte seine Schritte und sah Katrina an, als sei er sich nicht sicher, was ihr Tonfall zu bedeuten habe. Zorn oder Schmerz? Sollte er sich einmischen? Er entschied sich dagegen und ging ziemlich erleichtert davon.
Zwei Damen gingen lächelnd an ihnen vorbei.
»Ja, ich weiß«, sagte Monk sehr ruhig, und wieder kamen ihm an diesem sonnigen Tag unerträglich düstere Erinnerungen hoch. »Aber Betrug muss bewiesen werden, und ich kann nichts finden.« Katrina holte Luft, als wollte sie ihn noch einmal unterbrechen, aber er fuhr eilig fort. »Man kann zum Beispiel eine Eisenbahnlinie durch ein bestimmtes Gebiet führen statt durch ein anderes, um einem Bauern oder Gutsbesitzer den Gefallen zu tun, dass sein Land nicht zerteilt wird. Es mag Bestechung gegeben haben, aber ich wäre sehr überrascht, wenn sich das nachweisen ließe. Die Leute gehen mit so etwas normalerweise sehr diskret um.« Er bot ihr den Arm, da er fürchtete, sie würden Aufmerksamkeit erregen, wenn sie zu lange an einem Fleck stehen blieben.
Sie griff so fest danach, dass er durch den Stoff seiner Jacke ihre Finger spürte.
»Aber der Unfall!«, sagte sie mit aufsteigender Panik. »Was ist mit den Gefahren? Das ist keine Sache von« – sie schluckte
- »von persönlichem fragwürdigem Profit. Es ist« – sie flüsterte das Wort – »Mord! Zumindest moralisch.« Sie hielt ihn fest, sodass er stehen bleiben musste, und starrte ihn mit so abgrundtiefem Entsetzen an, dass er erschrak.
»Ja, ich weiß«, sagte er sanft und wandte sich ihr zu. »Aber ich bin die Trasse persönlich abgeschritten, Miss Harcus, und ich kenne mich aus mit Eisenbahnen. Beim Erwerb von Land, nicht einmal schlechtem Land, ist nichts, was das Leben der Menschen im Zug gefährdet.«
»Wirklich nicht?« Sie ließ zu, dass er langsam weiterging und mit den anderen, die zwischen den Blumenbeeten umherschlenderten, verschmolz. »Sind Sie ganz sicher?«
»Wenn das Land mehr – oder weniger – kostet als vorgesehen«, erklärte er ihr, »und der Firmenbesitzer die Differenz in seine eigene Tasche steckt statt in die der Anteilseigner, ist das Diebstahl, aber es hat keine Auswirkungen auf die Sicherheit der Eisenbahnlinie.«
Sie sah mit ernsten Augen zu ihm auf. Er sah den Schmerz und die Verwirrung in ihrer Miene, ihre wachsende Verzweiflung. Warum? Was wusste sie über Dalgarno, was sie ihm immer noch nicht erzählt hatte? »Um welche Beträge könnte es da gehen?«, unterbrach sie seine Gedanken. »Doch sicher um große, oder? Genug, dass ein gewöhnlicher Mann sich für den Rest seines Lebens eine schöne Zeit machen kann?«
Monk sah plötzlich Arrol Dundas vor sich, so lebendig, dass er sogar die Falten in Dundas' Gesicht erkennen konnte, die Form seiner Nase und die Sanftheit in den Augen, mit denen er Monk anschaute. Er war wieder bei Gericht, sah die erstaunten Gesichter der Menschen über die riesigen Summen, über die gesprochen wurde, Summen, die in ihren Augen unvorstellbaren Reichtum bedeuteten, die in der Eisenbahnwelt jedoch ganz alltäglich waren. Er sah die offenen Münder, hörte Menschen nach Luft schnappen und sich überall im Raum regen, Stoffe rascheln, Fischbeinkorsetts knarren.
Was war mit dem Geld passiert? Hatte Dundas' Witwe es? Nein, unmöglich. Niemand behielt den Gewinn aus einem Verbrechen. War es verschwunden? Um ihn zu überführen, musste bewiesen worden sein, dass er es zu
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