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Tod eines Fremden

Titel: Tod eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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nicht so genau wissen. Sollten Sie auch nicht, wenn Sie wissen, was gut für Sie ist.«
    »Vielen Dank.« Hester stand auf. »Sie haben mir sehr geholfen. Ich weiß das zu schätzen.«
    »Ich hab nix gesagt«, leugnete Polly unverblümt, zog das Kleid noch einmal hoch und fluchte leise.
    »Nein«, sagte Hester. »Außer, dass Baltimore nicht hier gestorben ist. In Wahrheit hat er hier überhaupt nichts zu suchen gehabt.«
    »Richtig«, sagte Polly mit Nachdruck. »Gar nichts!«
    Hester glaubte ihr. Den ganzen Weg zurück zum Coldbath Square ließ sie es sich immer wieder durch den Kopf gehen. Sie war sich sicher, dass Nolan Baltimore seinem Mörder woanders begegnet war und in Abel Smiths Haus geschafft worden war, um dem die Schuld zuzuschieben.
    Aber in der Frage, wo oder warum er umgebracht worden war, war sie keinen Schritt weitergekommen, obwohl sie den Namen Squeaky Robinson nicht vergessen würde, ebenso wenig wie die Tatsache, dass man sich in seinem Etablissement um Männer mit teuren und exquisiten Vorlieben kümmerte.

6
    Monk hatte alle Informationen über die Eisenbahn von Baltimore und Söhne sehr sorgfältig geprüft und weder beim Kauf von Land noch bei irgendeinem anderen Teil des Projekts einen offensichtlichen Betrug erkennen können. Aber selbst wenn aus dem Kauf oder Nicht-Kauf bestimmter Streckenabschnitte unrechtmäßiger Profit geschlagen worden war, konnte er sich nicht vorstellen, wie dies zu einem erhöhten Unfallrisiko führen sollte. Das beschäftigte ihn auf eine Weise, von der sich Katrina Harcus keine Vorstellung machte. Natürlich war eine drohende Gefahr von Wichtigkeit, und er war sich eindringlich bewusst, dass er, falls sie real existierte, sowohl die moralische Pflicht als auch den Wunsch hatte, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um sie zu verhindern. Aber was ihn mit gewaltigen, erstickenden Schmerzen peinigte, war die Angst, dass der Betrug, für den Arrol Dundas gestorben war, auf irgendeine Weise zu dem Unfall geführt hatte, an den Monk sich mit solch furchtbaren Schuldgefühlen erinnerte.
    Er ging über die Wiese im Regent's Park auf den Treffpunkt zu und bemerkte kaum die Menschen um ihn herum. Seine Gedanken waren zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her gerissen. Jede Zeit hielt den Schlüssel zu einer anderen Zeit, und vielleicht erhielt er von Katrina ein paar Informationen, die sie wohl verwahrt hinter ihren Gefühlen verborgen hütete. Zumindest das hatten sie gemeinsam. Sie hatte Angst um Dalgarno und das, was sie nicht über ihn wusste und von dem sie fürchtete, es könnte wahr sein. Monk hatte die gleiche Angst, nur um sich selbst.
    Der strahlende Sonnenschein verlieh dem Frühlingstag eine silbrig-goldene Klarheit, und der Garten war voller Menschen. Nachdem er sich aufgerafft hatte, sie zu treffen, war er herb enttäuscht, dass er mehrere Minuten vergeblich nach ihr Ausschau halten musste. Er sah Dutzende von Frauen aller Altersstufen. Sein Blick fiel auf gefärbte Seide und Spitzen, bestickten Musselin, Hüte mit Blumen, Sonnenschirme in einem Wald aus Spitzen über den ausgebreiteten Stoffkuppeln. Sie gingen zu zweit oder dritt spazieren und lachten miteinander oder hatten sich bei einem Bewunderer untergehakt, hoch erhobenen Hauptes und die Röcke raffend. Er stand enttäuscht im Torweg. Er hatte sich für die Begegnung gewappnet, was er nun morgen aufs Neue tun musste. Er hatte keine Ahnung, wo sie lebte oder wie er sie finden sollte, und solange er nicht mit ihr gesprochen hatte, konnte er nichts weiter tun.
    »Mr. Monk!«
    Er drehte sich herum. Sie stand hinter ihm. Er war so froh, sie zu sehen, dass er gar nicht mitbekam, was sie trug, außer, dass es blass war und kaum gemustert. Es war ihr Gesicht mit den verblüffend dunkel bewimperten Augen, auf das er seinen Blick richtete. Er lächelte, was wahrscheinlich dazu führte, dass sie glaubte, er habe gute Nachrichten, und obwohl er wusste, dass dem nicht so war, konnte er es nicht ändern. Pure Erleichterung wallte in ihm auf.
    »Miss Harcus! Ich … ich fürchtete schon, Sie würden nicht kommen«, sagte er hastig. Das war nicht genau das, was er hatte sagen wollen, aber etwas Passenderes fiel ihm nicht ein.
    Sie blickte forschend in sein Gesicht. »Haben Sie Neuigkeiten?«, fragte sie fast atemlos. Erst jetzt bemerkte er, wie blass sie war. Er spürte ihre Gefühle wie seine eigenen. Sie war gespannt wie eine Sehne, die jederzeit reißen kann.
    »Nein«, sagte er barscher als beabsichtigt,

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