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Tod eines Fremden

Titel: Tod eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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und ihren offenen Blick. »Sie sagen, weil dieser ermordete Lackaffe hier in meinem Haus war … aber das war er nie, außer als er tot war!« Er schniefte. »Ich habe noch nie im Leben einen Freier kaltgemacht! Wär ja auch ziemlich dämlich. Aber denken Sie, die Blödmänner würden mir glauben?«
    »Wo ist die Treppe, die er angeblich hinuntergefallen ist?«, fragte sie.
    »Warum? Was interessiert Sie denn das?«, fuhr er sie an.
    »Warum wollen Sie sie mir nicht zeigen?«, erwiderte sie.
    »Gehen Sie! Raus hier!« Er wedelte mit den Händen vor ihr herum. »Sie machen nur Ärger. Gehen Sie!«
    Irgendwo hinter ihr stieß eine Ratte ein leere Kiste um. Sie schlug mit einem gedämpften Geräusch auf.
    Hester rührte sich nicht vom Fleck. »Ich versuche doch nur, Ihnen zu helfen, Sie Narr!«, sagte sie wütend. »Wenn er nicht hier gestorben ist, dann ist er woanders gestorben! Es hatte womöglich überhaupt nichts mit Frauen zu tun, und wenn ich das beweisen kann, dann hört die Polizei auf, uns zu schikanieren, und wir können uns alle wieder unserem Alltag zuwenden! Möchten Sie das oder nicht?«
    Seine Augen waren kaum mehr als Schlitze in seinem rosafarbenen Gesicht. »Warum?«, fragte er vorsichtig. »Ich dachte, Sie seien nur 'ne Wohltäterin, die versucht, die Seelen der gefallenen Frauen zu retten. Sie haben doch sonst noch was vor, was?« Er nickte mehrmals. »Was ist das? Was machen Sie in dem Haus da oben in Coldbath?«
    »Das geht Sie nichts an!«, fuhr sie ihn an und ergriff die Chance. »Müssen wir das hier draußen vor der Tür klären, wo uns jeder hören kann?«
    Zögernd trat er einen Schritt zurück und hielt ihr die Tür auf. Sie trat hinter ihm ein und fand sich auf einem schmalen Treppenabsatz, von dem ein halbes Dutzend Türen abgingen. Er ging mit einem seltsam schlingernden Gang vor ihr her, als wäre er lange auf See gewesen. An der vierten Tür blieb er stehen und trat ein. Sie folgte ihm in ein Wohnzimmer, dessen Möbel, einst grün und rot, jetzt verblichen und abgenutzt, in den verschiedenen Braunschattierungen verwelkter Blätter prangten. Ein Tisch an der Rückwand war mit Papier übersät. Vor ihr stand ein weicher Sessel, und es gab einen sehr kleinen offenen Kamin, in dem sich aber nur graue Asche häufte. Der Geruch nach abgestandener Luft war erdrückend. Wärme hätte es nur noch schlimmer gemacht.
    »Ich würde gerne mit einigen Ihrer Mädchen sprechen.«
    »Die wissen nichts«, sagte er teilnahmslos.
    »Ich kümmere mich nicht um Ihr erbärmliches Geschäft!« Sie wusste, dass ihre Stimme schriller wurde, konnte aber nichts dagegen tun. »Sie haben diesen Mann vielleicht auf der Straße gesehen. Jemand hat ihn hergebracht. Sie sagten, er sei nicht reingekommen … wer hat ihn dann reingebracht? Haben Sie sich nicht gefragt, wer Ihnen das angetan hat?«
    »Das habe ich, verdammt!«, fauchte er, und sein Gesicht verlor plötzlich den rosafarbenen, unschuldigen Ausdruck und brannte stattdessen wie das eines übel gelaunten Säuglings, was böse wirkte und merkwürdig aussah, weil es so lächerlich war. Plötzlich hob er die Stimme. »Ada!«, rief er mit überraschender Lautstärke.
    Unten war etwas zu hören, aber niemand erschien.
    »Ada!«, brüllte er.
    Die Tür flog auf, und eine dicke Frau, etwa so groß wie er, platzte ins Zimmer, schwarze Ringellöckchen umrahmten ihr rotes Gesicht, ihre Augen loderten vor Empörung. Sie sah erst ihn an, dann Hester.
    »Nicht gut«, sagte sie, ohne gefragt worden zu sein. »Zu dünn. Wozu rufst du mich, du dämlicher Affe? Siehst du das nicht selbst? Hast wohl Mitleid mit ihr, was?« Sie wies mit einem kurzen, dicken Finger auf Hester. »Also, nicht in diesem Haus, du Miststück von …« Sie hielt inne, weil er keinen Versuch machte, sich zu rechtfertigen. Sie bemerkte ihren Irrtum und drehte sich um, um Hester anzusehen. »Also, was wollen Sie dann? Haben Sie Ihre Zunge verschluckt?«
    Hester zog die Zeichnung von Nolan Baltimore hervor und zeigte sie ihr.
    Ada warf kaum einen Blick darauf. »Er ist tot«, sagte sie ungerührt. »So 'n Haufen Scheiße, der bei uns abgeladen wurde, aber er hat nichts mit uns zu tun. Hab ihn noch nie vorher gesehen, da kann uns keiner das Gegenteil beweisen!«
    »Da steht Ihr Wort gegen das der anderen«, wandte Hester ein.
    Ada war ungemein praktisch veranlagt. Sie hatte zu viel durchgestanden, um lange herumzufackeln. »Und was wollen Sie? Was geht's Sie an, wer ihn hier abgelegt hat?«
    »Ich möchte

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