Tod eines Fremden
irgendeinem Zeitpunkt besessen hatte.
Monk weigerte sich einfach, an die andere Möglichkeit zu glauben: dass er selbst das Geld gehabt hatte. Er wusste genug über seine Zeit im Polizeidienst, um sich sicher zu sein, dass ein solcher Wohlstand aufgedeckt worden wäre.
Katrina wartete auf eine Antwort.
Er zwang sich in die Gegenwart zurück. »Ja, es geht wohl um sehr viel Geld«, räumte er ein.
Sie hatte die Lippen zu einer dünnen Linie zusammengepresst. »Genug, um Männer zu einem schweren Verbrechen zu verführen«, sagte sie heiser. »Dass Menschen bereitwillig das Schlimmste von jemandem annehmen. Mr. Monk, diese Antwort genügt mir nicht.« Sie senkte den Blick, weg von seinen Augen und dem, was er womöglich in ihren Augen lesen könnte. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Ich habe solche Angst um Michael, dass ich kaum weiß, wie ich überhaupt die Nerven behalten soll. Ich bin Risiken eingegangen, die ich unter anderen Umständen niemals eingegangen wäre. Ich habe an Türen gelauscht, Gespräche mit angehört, ich habe sogar Unterlagen auf anderer Leute Schreibtischen gelesen. Und ich schäme mich, es zuzugeben.« Plötzlich schaute sie auf. »Aber ich versuche mit aller Macht, die, die ich liebe, und ganz gewöhnliche unschuldige Männer und Frauen, die nur von einer Stadt in die andere reisen möchten und darauf vertrauen, dass die Eisenbahn sie sicher transportiert, vor einer Katastrophe zu bewahren.«
»Was verschweigen Sie mir?«
Wieder starrten Passanten sie an, vielleicht, weil sie erneut stehen geblieben waren, jedoch eher, weil sie die Leidenschaft und die Not in Katrinas Miene bemerkten. Zudem hielt sie immer noch Monks Arm fest.
»Ich weiß, dass Jarvis Baltimore vorhat, für mehr als zweitausend Pfund einen Grundbesitz zu erwerben«, sagte sie atemlos. »Ich habe die Pläne gesehen. Er hat darüber gesprochen, dass er das Geld in knapp zwei Monaten zusammenhat, aus dem Gewinn, den sie aus dem Plan, über den er und Michael gesprochen haben, erzielen werden.« Sie sah ihn eindringlich an, versuchte herauszufinden, was er davon hielt. »Aber er und Michael haben gesagt, es müsse absolut geheim bleiben, sonst würde es sie stattdessen in den Ruin treiben.«
»Sind Sie ganz sicher, dass Sie die beiden nicht missverstanden haben?«, fragte er. »War das nach Nolan Baltimores Tod?«
»Nein …« Es war kaum mehr als ein Ausatmen.
Also war es keine Erbschaft.
»Der Verkauf von Anteilen fremder Eisenbahngesellschaften?«
»Warum sollten sie das geheim halten wollen?«, fragte sie. »Würde man darüber nicht ganz offen sprechen? Machen Gesellschaften das nicht andauernd?«
»Ja«, sagte er.
»Es gibt ein Geheimnis, hinter das Sie noch nicht gekommen sind, Mr. Monk«, sagte sie heiser. »Etwas, das ebenso schrecklich wie gefährlich ist und Michael ins Gefängnis bringen wird, vielleicht kommt er sogar dabei um, wenn wir es nicht herausfinden, bevor es zu spät ist!«
Angst durchlief ihn wie eine brennende Welle, aber sie war namenlos und ohne Sinn. Er griff nach dem Einzigen, von dem er wusste, dass es der Gewalt und der Ungeheuerlichkeit dessen, was sie andeutete, gleichkam. »Miss Harcus! Nolan Baltimore wurde vor kurzem umgebracht. Die meisten Menschen sind davon ausgegangen, sein Tod stehe im Zusammenhang mit seinen häufigen Besuchen eines Bordells in der Leather Lane. Aber vielleicht sollten sie das ja auch denken.«
Sie hob den Kopf und sah ihn ängstlich an. Ihr Gesicht war kreidebleich. Sie hatte die Menschen um sie herum mit ihrer Neugier und ihrer Besorgnis vollkommen vergessen. »Sie glauben, es hat etwas mit der Eisenbahn zu tun?« Sie atmete die Wörter voller Angst aus und schlug die Hand vor den Mund, als könnte das die Wahrheit ersticken.
Er wusste um die schlimme Angst, die sie ergriffen hatte, und ihr Schmerz tat ihm weh, aber es war sinnlos, ihm jetzt auszuweichen. Er würde dadurch nicht verschwinden.
»Ja«, antwortete er leise. »Wenn Sie Recht haben, und es geht wirklich um solche großen Summen, könnte er umgebracht worden sein, damit er, falls er von dem Plan wusste, nichts verrät.«
Jetzt war sie so weiß, dass er befürchtete, sie könnte in Ohnmacht fallen. Instinktiv griff er nach ihrem Arm, damit sie nicht stürzte.
Sie ließ sich nur einen kurzen Augenblick von ihm stützen, dann zog sie sich mit einem so heftigen Ruck zurück, dass der zarte Musselin ihres Ärmels zerriss.
»Nein!« In ihrem Gesicht stand Entsetzen, und ihre Stimme
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