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Tod eines Holländers

Tod eines Holländers

Titel: Tod eines Holländers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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beweist das?«
    » N i chts . «
    » S ie glauben also nicht an Selbstmord?«
    » N e in . «
    » Nun, u m d ie Wahrheit zu sagen, ich auch nicht. Aber w i r m üssen von den Fakten ausgehen, und der Haken, He r r Wachtm e ister, ist der, daß wir strenggenommen nur zwei Fakten haben: erstens, ziemlich vage, ein Haar, das von überallher stammen kann, es sei denn, Sie finden einen Verdächtigen, und zweitens, ziemlich m y steriös, die beiden Aspirintabletten – als würde sich jemand ein Glas Wasser über den Kopf kippen, bevor er in den Fluß springt, nich t ? «
    Sie näherten sich wieder dem Ausgang. Der Professor hielt plötzlich inne und errötete.
    » Verz e ihen Sie, m ir wird gerade klar, wie lange ich Sie aufgehalten habe, und Sie wollten ja noch beim Polizeilabor vorbeischauen… ich fürchte, da ist jetzt niemand m e hr.«
    »War nichts Dringendes « , m u r m elte d er Wachtmeister.
    »Bitte vielmals um Entschuldigung! Wenn ich erst m al anfan g e, bin ich nicht m ehr zu bre m sen. Wie ein Uhrwerk, sagt m eine Tochter immer. Also, ich lasse Sie jetzt weitermac h en . «
    Nach diesem unaufgeforderten Geständnis drehte sich der Professor um und gi n g den Korridor hinunter. Vor lauter Verlegenheit konnte der Wachtmeister gar nicht r eagieren, doch der Pförtner rief beinahe auto m atisch, ohne von seiner Zeitung hochzublicken: » Herr Professor!«
    » Ja, was gibt ' s ? «
    » S ie wollten nach Hause!«
    Der Wachtmeister war schon draußen und stieg schnell in sein Auto, tat so, als hätte er nichts ge m er k t.
    »Todesursache Herzversage n « , m u r m elte er vor sich hin, während er zurück in Richtung Stadtmitte fuhr. Es däm m erte.
    Lichter brannten vor den Restaurants, deren Tische, u m geben von Topfpflanzen, draußen im Freien standen. Kellner, die auf hoch erhobenen Ar m en Teller balancierten, drängten sich durch die Reihen, und wohlriechende Grillschwaden zogen durch die war m e Luft. Auch am Arno-Ufer brannte überall Licht. Himmel und Wasser versch m olzen zu einem Türkis- und Mitternachtsblau, und unter den dunklen Bögen der Brücke Santa Trinità schossen Fledermäuse dahin.
    »Todesursache Herzversagen…«
    Er fuhr, das Einbahnstraßenschild m i ßachtend, auf die Brücke Santa Trinità und hielt an.
    »Will bloß m i t der jungen Frau dort an der E cke ein Wort wechseln…«
    Er stieg nicht aus, sondern öffnete nur die Tür und rief: » He y , Franca!«
    Rauchwolken ausstoßend kam sie ihm wie e i n superoxydblonder Drachen entgegen. Ihr starres Lächeln verschwand jedoch, als s i e sah, wer es war.
    »Was ist los ? «
    » Nichts ist los, ich brauche eine Infor m ation . «
    » Also, was weiß ich alles… ? «
    Der Wachtmeister saß in Unterhemd und seiner alten Hose am Küchentisch. Es war schon nach zehn gewesen, als er nach Hause ka m , und jetzt ging es auf Mitternacht zu. Er hatte Brot und Käse gegessen, dann den Resopaltisch abgewischt, aus dem Büro ein Blatt Papier und einen Bleistift geholt und sich m i t nachdenklicher Miene hingesetzt. Seit über einer S t unde hatte er nichts aufgeschrieben.
    Erinnerungen an So mm e rabende seiner Kindheit stiegen in ihm auf. Es war sicher ein Juni, an den er zurückdachte, weil es so viele Glühwür m chen gab und weil er Hausaufgaben m achte, das heißt, es waren noch keine Ferien. Seine Mut t er pflegte den großen Küchentisch für ihn abzuräumen, sobald seine Schwester zu Bett gegangen war. Er konnte sich noch sehr gut an den Stuhl m i t der grobgeflochtenen Sitzfläche erinnern, die sich in einem roten Muster auf der Un t erseite seiner Schenkel abzeichnete, und an die Stimme seines Vaters und der anderen Männer draußen vor dem kleinen Gitterfenster, dessen Laden noch nicht verschlossen war, obwohl es schon dunkel war und die Glühwür m chen grün aufleuchteten. Er saß da, die Beine m i t den Kniestrü m pfen auf der untersten Querstrebe des Stuhls, den Kopf ein wenig gesenkt, als konzentrierte er sich auf das lange Gedicht, das er auswendig lernen m ußte. Während seine Mutter e m sig s a uber m achte und Schuhe putzte, rief sie i h m öfter zu: » So ist ' s recht, lern du n ur! Wer heutzutage nicht lernt, bringt es zu nichts. Dein Vetter Car m elo hat immer gele r nt ! «
    Car m elo besuchte ein Priesterseminar, seine Zukunft war gesichert. »Mach so weiter und lern schön, du willst doch bestimmt n i cht dein Leben lang als Landarbeiter schuften wie dein Vater!«
    Doch sie ahnte nicht, daß er m it seinen großen

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