Tod eines Holländers
nicht ei n m al zu Ihnen ein Wor t ? «
» Stimmt. Un m ittelbar nach der Beerdigung. Ohne ihre Sachen. Ich glaube, die sind noch immer in der Wohnung.«
Der Wachtmeister fragte sich, ob sie sich nach dem Tod ihres ersten Mannes wohl ähnlich verhalten hatte: alles stehen- u n d liegenlassen, um in einem anderen Land ein neues Leben zu beginnen. Ihm erschien es nicht undenkbar, daß sie wieder geheiratet hatte. Aber es wäre klüger, diese Überlegungen für s i ch zu behalten. Statt dessen sagte er: »Toni m uß sehr bestürzt gewesen sein . «
»War er auch . «
» Hat er denn nichts dazu gesag t , vielleicht einen Streit erwähn t ? «
»Es hat kei n en Streit gegeben. Toni war auch gar nicht hier, als sie wegzog – er war in A m sterdam, und er konnte es sich überhaupt nicht erklären. Er war genauso verdutzt wie wir alle. Zuerst hat er telefoniert und über ihre Anwälte etliche Briefe geschrieben, in denen er sie bat, sich m i t i h m zu treffen und ihm alles zu erklären. Schließlich m achte Wanda, seine Frau, der Sache ein Ende. Es hat jedenfalls nie eine Antwort von ihr gegeben, und so hat er m ehr oder w eniger aufgegeben… obwohl, vor kurze m …«
» Ja ? «
»Ich denke gerade an das letzte Mal, als er hier war, vor etwa vier Monaten. Er glaub t e wohl eine Chance zu sehen, daß die Verbindung zwischen ihnen wiederhergestellt wurde . «
» Hat er gesagt, waru m ? «
» Nein. Er hatte einfach das Gefüh l , daß sie zurückkom m en m ußte . «
» Ohne einen Grund zu nennen ? «
» N e in. Er war sich einfach sicher, daß er etwas hören würde, daß sie zurückkommen würde. Ich habe ihn nicht g edrängt, es war ja ein bedrückendes The m a für ihn. Im Grunde ist er nie darüber hinweggekom m en . «
» Glauben Sie, es könnte etwas m it dem Kind zu tun haben, das seine Frau erwartet ? «
» Schon m ö g lich. Schließlich würde sie dann quasi Groß m utter werden, zum ersten Mal.«
»In Tonis Leben hatte sich sonst nichts verändert?«
» Nicht daß ich wüßte.«
» Und welchen Eindruck m achte er bei seinem letzten Besuch ? «
»Er war ausgesprochen fröhlich. Hauptsächlich wegen des Babys – nach acht Jahren hatten sie die Hoffnung fast schon aufgegeben.«
» Acht Jahre? Was war denn das Prob l e m ? «
» Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich weiß nur, daß er völlig aus dem Häuschen war, als er die Nachricht erhielt. Er hat uns sofort aus A m sterdam angerufen . «
» Hatten Sie regelmäßi g en Kontakt zueinander, wenn er i n A m sterdam war? Ich m e ine, hat er Ihnen Bescheid gesagt, wann er kom m t? Signora Giusti sagt, daß er sie m anch m al anger u fen hat . «
» Ja, mich auch, aber nicht dieses Mal.«
» Also, abgesehen von dem Telef o nanruf wegen des Babys hatten Sie in den vergangenen vier Monaten keinerlei Kontakt zu ih m ? «
» Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt, daß er m ir nicht m i tgeteilt hat, wann er kom m en würde. Geplant war, daß er erst in zwei Monaten ko mm en würde. Geschäftliche Dinge hier in Florenz wurden in diesem Atelier a b gewickelt. Er hatte auch m i t anderen Juwelieren zu t u n, aber wir trafen uns alle hier. Ich h abe es organisiert, sobald er m ich angerufen hatte. In der Zwischenzeit standen wir insofern in Verbindung, als ich i h m seine Post nachschickte. Sie kam teilweise noch hierher, Kataloge und Rechnungen hauptsächlich und Mitteilungen von der Stadtverwaltung, Steuersachen und dergleichen. Ihm gehörte ja das Haus.«
»Wann haben Sie ihm zuletzt etwas nachgeschickt ? «
»Ich würde sagen vor etwa drei Wochen. Ich schicke die Sachen nicht einzeln, sondern stelle ein Päckchen zusa m men, sobald s i ch etwas angesam m elt hat – es sei denn, es ist irgendwas Wichtiges dabei . «
»In der letzten Sendung könnte also ein Brief von seiner Stief m utter g ewesen sein?«
» N e in. Erstens hatte er ihr nach seiner Hochzeit über die Anwälte se i ne A m sterdamer Adresse m itgeteilt, und zweitens, wenn sie ihm hierher geschrieben hätte, dann wäre m ir der Brief aufgefallen . «
» Öffnen Sie die Briefe ? «
» Nein, aber ich schicke Privatpost, w i e gesagt, nur dann weiter, wenn sie wichtig aussieht. Ein Privatbrief m i t englis c hen Briefmarken wäre m ir natürlich aufgefallen. Ich hätte ihn s o gar angerufen.«
» Hatte er Sie denn darum gebeten ? «
» Nicht ausdrücklich, aber ich wußte, wie wichtig es ihm war . «
»Wissen Sie noch, was i n der nachgeschickten Post alles war? War überhaupt
Weitere Kostenlose Bücher