Tod eines Holländers
etwas Privates darunter ? «
Der Brief brauchte schließlich nicht in England abgeschickt worden zu sein. Wenn d i e Frau jetzt hier war, dann konnte s i e ja schon länger hier gewesen sein.
» Überhaupt nichts Privates. Ich ents i nne m ich, daß ich überlegt habe, ob ich noch eine Woche war t en sollte, aber der Stift hatte ohnehin vor, für m ich zur Post zu gehen, also beschloß ich, i hm m i tzugeben, was sich m i ttlerweile angesa m melt hatte – ein Katalog, ein Brief eines Juweliers, der bestimmte Steine bestellte, er hatte ihn hier liegenlassen, und ich hatte i h m versprochen, ihn nachzusenden, sowie ein Brief von der Ko mm une. Das war alles.«
» J e mand hat t e Steine bestellt… waren es wertvolle?«
Der Goldsch m ied läc h elte über die Unerfahrenheit des Wachtm e isters.
» Natürlich. Es waren Dia m a n ten. Er hätte sie aber kaum in dieser Woche m i tgebracht, ohne m ir Bescheid zu sagen, falls Sie das annehmen. Außerdem hätte er n icht Zeit genug gehabt, sie einzukaufen und zu schleifen.«
» Und was stand in dem Brief von der Stadtverwaltung ? «
» Keine Ahnung. Diese gelben U m schläge sehen ja alle gleich aus. Eine Bekanntmach u ng über die Erhöhung der Grundsteuer, ein Rundschreiben von der Stadtbibliothek oder eine dieser Aufforderungen vom Gesundheitsamt, sich irgendeiner freiwilligen Krebsuntersuchung zu un t erziehen…«
Der Goldsch m ied zuckte m i t den Schultern.
Der Wachtmeister hatte sich erhoben und sp i elte m it seiner Mütze. Aus seiner Sicht war alles da, er m ußte es nur begreifen – alle El e m ente eines Verbrechens, und auch alle Elemente eines Fa m il i enzwists; doch jedermann e rklärte ih m , es habe kein Verbrechen und keinen Zwist gegeben. Im m er wenn er versuch t e, eines dieser Elemente zu verstehen, verflüchtigte es sich wie ein Geist bei Tageslicht.
Er setzte sich wieder hin und zog ein Taschentuch heraus, um sich die Stirn abzuwischen.
» Dennoch, irgendeinen Krach hat es in der Fa m ilie gegeben… und weshalb hat er diese schwarzen Sachen dabeigehabt, als wollte er zu seiner eigenen Beerdigung gehen…«
»Einige Leute sind davon überzeugt.«
» S ie auch ? «
Der Wachtmeister starrte ihn an.
» Nei n « , antwortete er ruhig. » Aber diese Frage m üssen Sie schon selbst beantworten.«
»Eben nicht ! «
Der Wachtmeister ballte frustriert die großen Hände, und vor lauter ziello s er Wut lief sein Gesicht rot an wie ein Stier, der in der Arena a l lzu lange gepiesackt wurde. »Eben nicht! Wenn ich die Antwort nicht gefunden habe, bevor er unter der Erde liegt, werde ich s i e nie finden! Beerdigungen – im m er endet es m i t Beerdigungen!«
» Die m e isten Fa m ilienstreitigkeiten enden da. Und Geldprobleme . «
» Und von beidem scheint diese Fa m i lie reichlich gehabt zu haben, von Dia m anten g anz zu schweigen. Wenn ich nur m ehr Zeit hätte, dann…«
Er wandte sich wieder dem Guckloch zu und schreckte zurück, noch ehe er die Warnglocke des Blinden und die raschen Schritte des Jungen hörte.
Von draußen, eine Handbreit vor seiner Nase, spähte i h m ein weißes, heimtückisches Gesicht entgegen.
7
Das Gesicht zuckte ebenfalls zurück, doch der Wachtm e ister h atte noch Zeit, den Ausdruck von Angst und Erstaunen zu be m er k en, bevor es verschwand; im selben Mo m ent lief er schon zur Tür und stieß m i t dem Lehrling zusam m en, der herbeigerannt ka m . Signor Beppe, der i m Stehen ni c hts be m erkt hatte, lief d e m Wachtm ei ster hinterher und sah die Frau in Richtung Straßenecke davoneilen.
» He y , Wachtmeiste r «, rief er erstaunt, » das ist doch die Signora! Signora Goossens!«
Der Wachtmeister h a tte den Ruf zwar gehört, doch er blieb nicht stehen, und bald waren er und die Frau um die Ecke verschwunden.
» S ieh mal an, die Signora«, wisperte er, » a lso…« aber wie weiter, das wußte er auch nicht.
Sobald die Signora den Platz hinter sich gelassen hatte, verlangsamte sie ein wenig das Tem p o und bewegte sich jetzt in nor m aler Schrittgeschwindigkeit die Via Mazzetta hinauf. Auch wenn sie vielleicht noch nicht wußte, daß sie verfo l gt wurde, g i ng sie für die Hitze etwas zu schnell, und dadurch fiel sie auf, während sie sich durch die lethargischen Fußgänger, die i hre Einkäufe m a chten, und durch die u m herschlendernden Touris t en einen Weg bahnte. Als s i e die kleine Piazza San Felice erreichte, auf der vier Straßen sich zu einem einzigen Verkehrsknäuel trafen,
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