Tod eines Holländers
Wo war diese Frau?
» Aber natür l ich ist sie n i cht ihre Schwester. Ich weiß gar nicht, worauf Sie hinauswollen!«
Deshalb ha t te sie sich im Boboli nicht so gut ausgekannt, deshalb hatte sie nicht gewußt, wann das Standesa m t schl o ß… trotzdem, sie hatte es geschafft, daß er sich wie ein dum m er Junge vorka m . Aber die vage Idee arbeitete noch in seinem Hinterkopf, und er wuß t e schon vorher, daß Signor Beppe seine Ver m utung bestätigen würde.
»Ich bin hinter der Schwester her«, rief er, »das ist doch sonnenklar, oder nicht ? «
» Nein, nicht für m ich. Ich weiß nicht, was Sie wollen, aber ich weiß, daß das nicht die Schwester, sondern Signora Goossens i st. Ich weiß es aus de m selben Grund wie Sie ! «
Signor Beppes Gesicht war rot angelaufen. Es war eine lächerliche Situation. Hilfesuchend wandte er s i ch nach seinen Mitarbeitern u m , die, einschließlich des Fahrers, vom Auto aus hochguckten.
» S ie haben mich oft ge n ug gefragt«, rief Signor Beppe wütend.
» D i e Frau ist tot, m ein Gott, sie ist seit zehn Jahren tot! Ich habe Ihnen gesagt, daß Signora Goossens nach der Beerdigung…«
» Nach ihrer Beerdigung? Hi mm el, ich dachte, Sie hätten die Beerdigung des alten Goossens ge m eint ! «
» Das war ein Jahr davor. Erst danach hat Signora Goossens ihre Schwester eingeladen, h i er bei ihr in Florenz zu wohnen, und dann starb die Schwester – wenn es die Beerdigung des alten Goossens gewesen wäre, dann wäre ich ja wohl dabeigewesen, oder? Und Toni wäre auch dabeigewesen… also, das ganze Viertel wuß t e, daß die Schwester gestorben ist…«
» Also, das hat mir niemand gesagt! Und vor zehn Jahren war ich noch nicht hier ! «
Er m achte auf dem Absatz kehrt, so daß der Kies aufflog, und lief schweren Schritts durch das Tor zurück auf den Friedhof und wischte sich im Laufen mit seinem T a schentuch über den Nacken. Verdutzt sahen sie i h m eine Weile hinterher, bis der Chauffeur sich erkund i gte: » Fahren wir weiter ? «
» Ja . «
Signor Beppe stieg ein. Während das Auto sich langsam entfernte, drehten sich alle Insassen, außer dem Fahrer, u m , schir m ten die Augen m it der Hand ab und sahen zurück.
Die khakifarbene Gestalt des Wacht m eisters trampelte a u f Kieswegen entlang und über Rasenflächen hinweg, wenn er Abkürzungen nah m . Nach einer Weile blieb er stehen, blickte sich suchend u m . Die Gräber erstreckten sich in langen Reihen, so weit der Blick reichte. Der Friedhof lag verlassen unter e i ner gnadenlos sengenden Sonne. Kein Vogel oder Insekt, verborgen zwischen Grasbüsche l n und zersprungenen Vasen mit halbvermoderten Blu m en, störte die Grabessti l le. Die Sonne brannte, und auf der Unifor m jacke d es Wachtm ei sters hatte sich zwischen den Schulterblättern ein großer Schweißf l eck ausgebreitet. Sein Atem ging laut und pfeifend.
»Wenn ich zu spät ko m me … «
Er lief in Richtung Verwaltungsgebäude. Dem Bea m ten, der i h n schon ein m al hatte telefonieren lassen, brüllte er von weitem etwas zu. Der Mann kam daraufhin m it einer Zigarette in der Hand heraus und deutete in eine Richtung.
»Er wird s i ch noch einen Herzinfarkt holen, wenn er nicht achtgibt « , mur m elte der Mann und schnipste die Zigarette auf den Kies, während er zusah, wie der Wachtmeister davoneilte. » K ann ja gleich hier bleiben … «
Aus einiger Entfernung sah der Wachtmeister schon d i e Dreiergruppe, nach der er gesucht hatte, doch er lief immer weiter, bis er deutlich das Gesicht der Frau sah, bis er wußte, daß sie ihn gesehen hatte, bis er wußte, daß sie erschrocken war, viel zu erschrocken, um wegzulaufen und die beiden Männer an dem geöffneten Grab zurückzulassen.
Die Männer be m erkten ihn erst, a l s sie ihn keuchen hörten, und unterbrachen ihre Arbeit. Er bedeutete ihnen m it einer Handbewegung weiterzu m achen, woraufhin sie s i ch anschickten, den Sarg zu öffnen. Neben dem Sarg stand die Urne.
Er fixierte die Frau. Sie zitterte ein wenig, und der Schweiß lief ihr in kleinen Rinnsa l en das gepuderte Gesicht herunter. Vielleicht würde sie ohn m ächtig werden, doch s i e hielt aus, sah trotzig in d ie Sonnenbrille des Wachtmeisters. Sie trug ein schwarzes Kostü m , und ihr Brustkorb hob und senkte sich, als wäre sie ebenfalls die ganze Strecke gerannt. Die Arbeiter legten ihre Werkzeuge nieder, es war still, und beide wußten, ohne hinzusehen, daß der Sarg jetzt geöffnet war.
» Nun, Signora… ?
Weitere Kostenlose Bücher