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Tod eines Holländers

Tod eines Holländers

Titel: Tod eines Holländers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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    Die Männer warteten. Der Wachtmei s ter war fest entschlossen, nicht vor ihr hinzuschauen. Er wo l lte ihren Gesichtsausdruck sehen, wenn sie zum Sarg hinunterschaute. Sie hielt seinem Blick so lange sie konnte stand, doch die Männer wurden ungeduldig.
    Sie konnte n i chts tun. Langsam senkte sie den Blick.
    Welchen Ausdruck hatte der Wachtmeister auf ihrem Gesi c ht erwartet? Reue? Trauer? Einfach irgendein Zeichen m enschlicher Regung? Er war enttäuscht. Er sah, wie s i e die Lippen aufeinanderpreßte und m i t einer leichten, unwillkür l ichen Bewegung das Kinn in die Luft reckte; der bekannte Ausdruck legte sich auf ihr zerfurchtes Gesicht.
    ›Ich kann tun, was ich will…‹ » Also, Signora ? «
    Sie nickte, und die Arbei t er m achten weiter.
    Der Wachtmeister schaute nur kurz hin, denn er wußte, was er sehen würde.
    Signora Goossens' Gebe i ne waren, b i s auf etwas vertrocknete Haut, glatt. Das gelbe, noch intakte Totenhemd zerfiel, als die Schaufel unter das Skelett fuhr. Als eine der gefalteten Hände am Brustkorb herabrutschte, funkelte die Sonne in den winzigen Dia m anten, S m aragden und Saphiren, die den Go l dring sch m ückten.
    Der Wachtmeister wandte sich etwas ab, als die Gebeine ohne Zeremonie in die kleine Urne geschaufelt wurden, welche anschließend in eine Mauer eingelassen würde.
    » Herr, sche n ke ihr die ewige Ruhe « , m ur m elte e r , dabei sah er sie, wie sie vor langer Zeit dem Blinden und seinen Sprichworten lauschte, Signora Giustis Klagen anhörte, das Glück ihres zweiten Frühlings erlebte… Er hörte die Frau die Arbeiter unterbrechen, und wußte, was sie vorhatte.
    » Und vergib m ir, Herr, daß ich Unrechtes über sie gedacht habe…«
    »Eine Angehörige von Ihnen ? « fragte ein Arbeiter teilna h m svoll, als er d ie Bewegung auf dem Gesicht des Wachtm e isters sah.
    » Nein… nein . «
    » No r m aler w eise m uß ein Priester…« m u r m elte der Arbeiter m i t tadelndem Blick auf die Frau. Sie trug jetzt den Ring.
    Der Wachtmeister ging nicht mit z u m Ein m auern der Urne. E r wartete statt dessen im Friedhofsbüro, wo die Frau durch ihre Unterschrift bestätigen würde, daß die Überreste identifiziert u nd wieder bestattet worden waren. Vielleicht würde sie in P a nik geraten und weglaufen, doch nach allem, was er gerade gesehen hatte, bezweifelte er das.
    » Dürfte ich noch ein m al Ihr Telefon benutzen ? « sagte er. Wenn er sich vorher gefragt hatte, warum sie, nach dem Tod des Holländers, die Gebeine ihrer Schwester nicht in e i nem städtischen Grab einfach hatte verrotten lassen, jetzt wußte er es. Ohne richterliche Anordnung konnte er das Verschließen oder Öffnen der Urne aber nicht verhindern.
    Begräbnisse, Streit und Dia m anten. Und das alles, weil die Schwester, von anderen Dingen m al abgesehen, zu geizig gewesen war, für das aufzuko mm e n , was Signora Giusti ein ›anständiges Begräbnis‹ nannte. Sie hatte sicher nicht gewußt, was eine Erdbestattung bedeutete, während es in ihrer Heimat wohl gebräuchlich war. Und niemand hatte sie aufgeklärt, alle gingen davon aus, daß sie Bescheid wußte – se l bstverständlich, denn sie wurde ja als Signora Goossens angesehen, die lange Jahre in Italien gelebt und ihren Mann auf diesem Friedhof anständig begraben hatte. Wer hätte es für notwendig gehalten, ihre Entscheidung zu kom m entieren? Wer hatte überhaupt davon gewußt – abgesehen jedenfalls von T oni, der derjenige gewesen sein m ußte, der die Blu m en z u m l o culo seiner Eltern gebracht hatte. Er wußte Bescheid, und er wußte auch, daß es nicht die Art seiner Stiefmutter gewesen wäre, sich nach Ablauf der zehn Jahre nicht weiter um die Gebeine ihrer Schwester zu küm m ern.
    » H a llo? Leutnant Mori, bitte. Ich w e iß, er ist ge r ade in einer Besprechung m i t dem Staatsanwalt, deswegen rufe ich ja an… er erwartet m ei nen… jaja, m achen Sie schnell… Hallo ? … Hall o ? Vielen Dank. Leutnant Mor i ? Hier Wachtm e ister Guarnaccia. Ich m uß m ich beeilen, ich bin noch auf dem Friedhof. Ich habe alles herausgefunden, das heißt, m ehr oder weniger alles. Bei unserer Frau handelt es sich nicht um Signora Goossens, sondern um ih r e Schwester. Signora Goossens ist vor zehn Jahren gestorben, aber die Schwes t er hat den Todesfall unter ihrem eigenen Na m en ge m eldet… Ja… Ja… Ich weiß nur, daß sie sich zwischen Tod und Bestattung in der Wohnung e i nschloß und sich weigerte, irgend jem a nd zu e m

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