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Tod Eines Kritikers

Tod Eines Kritikers

Titel: Tod Eines Kritikers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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mußte sie das Gegenteil bezeugen. Wieder einmal. Und um dazu im Stand zu sein, mußte sie glauben, es liege an ihr, daß sie fast nichts empfand. Und da sie nichts empfand, mußte sie ihm doch sagen, wie unendlich viel sie empfinde. Für ihn. Durch ihn. In ihr.

    Jetzt klatschte niemand mehr, Hans Lach hüpfte von der Glasplatte und zündete sich eine Zigarette an. Er hatte so gut vorgelesen, das heißt, er war so sehr eins mit seinem Text, daß er ihn nicht hatte vortragen müssen, was ja immer beschämend wirkt, er vergegenwärtigte sich den Text, das genügte.
    Gegen die Rettung von Würmern aus Tennisplatzsand und gegen Monologe ferigider Ferauen sei nichts einzuwenden, sagte Ehrl-König, wohl aber gegen die Anwesenheit eines Autors, der in der SPERECHSTUNDE dran war, Herr Pilgrim, unter diesen Umständen, das heißt, um weiteren Anpöbeleien zu entgehen, verlasse ich dieses Haus und werde es, da ich hier vor Anpöbeleien offenbar nicht mehr sicher sein kann, nie mehr betereten. Herr Ludwig. Gnädige Ferau. Adieu.
    Goethe, Anpöbelei! Rief Hans Lach.
    Aber Herr Pilgrim hatte sich Ehrl-König schon in den Weg gestellt. Und Herr Pilgrim war zirka zwei Meter groß und sicher hundert Kilo schwer.
    Wenn hier jemand geht, dann der, der nicht eingeladen ist. Ich muß dich bitten, Hans Lach. Dann sagte er etwas in einer osteuropäischen Sprache, sofort stellten die zwei Butler ihre Tabletts ab und gingen auf Hans Lach zu. Der rief noch etwas, es kann Wir sehen uns noch! geheißen haben.
    Ich fragte nach den Sätzen, die in der Frankfurter zitiert gewesen waren: Die Zeit des Hinnehmens ist vorbei. Sehen Sie sich vor, Herr Ehrl-König. Ab heute nacht Null Uhr wird
zurückgeschlagen.
Diese Hitler-Variation hat Silbenfuchs nicht gehört.
    Die zwei Butler verständigen sich noch in einer slawischen Sprache, wie sie Hans Lach hinausbefördern sollten, packten ihn unter den Schultern und trugen ihn mühelos hinaus. Schwer ist er ja nicht, und gewehrt hat er sich auch nicht. Ehrl-König habe sich doch noch bewegen lassen, seinen Platz einzunehmen und wie immer seien allmählich alle Grüppchen um ihn herum gruppiert gewesen. Er beschwerte sich über die Undankbarkeit der Scheriftsteller. Nachgewiesen sei, daß auch Bücher, die er verreiße, sofort zwanzigtausendmal verkauft würden. Gut, die er pereise, seien sofort einhunderttausendmal verkauft, aber zwanzigtausend von einem schlechten Buch, dafür könne doch jeder Autor dankbar sein. Solange Ehrl-König über mich spericht, gibt es mich, habe einer gesagt, und er habe mit Recht nicht gesagt: gut über mich spricht, sondern über mich spericht. Dieser krankhafte Egomane Hans Lach müßte ihm, Ehrl-König die Hand küssen dafür, daß Ehrl-König so etwas wie Mädchen ohne Zehennägel überhaupt vornehme, es sozusagen in einem Atemzug mit Philip Roth nenne. Aber, habe er dann gerufen, haben Sie schon einmal einen Scheriftsteller gesehen, der dankbar ist?
    Ehrl-König könne ja aus irgend einer Mundunpäßlichkeit hinter einem sch kein r aussprechen, hinter einem Konsonanten schon gar nicht. Das gehöre zu den vielen Sprecheigentümlichkeiten, die es so leicht machten, ihn zu imitieren. Er, Silbenfuchs sei sicher, daß Ehrl-König vor allem wegen seiner leichten Imitierbarkeit so populär und deshalb so einflußreich sei. In der ganzen Literaturgeschichte habe keiner soviel Macht ausgeübt wie Ehrl-König, singen und sagen seine Chorknaben im DAS Magazin. Tatsächlich witterte Ehrl-König in jedem, den er traf, wie er ihn für seine, Ehrl-Königs, Machtsteigerung nutzen konnte. So oft er Ehrl-König begegnet sei und sei’s im ICE-Speisewagen, jedesmal habe Ehrl-König ihn damit begrüßt, daß Silbenfuchs ihn immer noch nicht zum Honorarprofessor der Ludwig Maximilians Universität vorgeschlagen habe. Leute wie Unseld und Fest seien Honorarprofessoren in Heidelberg, Tübingen und sonstwo, kämen dann einmal hin, sprächen über eine Schriftstellerin, aus deren Bett sie gerade kämen, dann tauchten sie nicht mehr auf. Silbenfuchs lachte dann, und in sein Lachen hinein habe Ehrl-König gerufen: Nicht einmal einen Dr. h.c. haben Sie übrig für mich. Und darauf Silbenfuchs: Aber Sie sind doch schon h.c. in … und zählte die Universitäten auf. Darauf, EhrlKönig, daß man gar nicht genug h.c.‘s auf sich versammeln könne. Die Gespräche mit ihm seien immer erstaunlich formelhaft verlaufen. Nach dem h.c. seien die Akademien und die Preise drangekommen. Keine Akademie wähle

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