Tod Eines Kritikers
love! Und unser aller Verleger, Ludwig Pilgrim, der wirklich ein geroßer Verleger ist, vielleicht sogar ein genialer, auf jeden Fall der gerößte Verleger, den wir haben dieser geroße Verleger läßt in den Kelappentext schereiben, der Roman erzähle die berutale Überlegenheit des Seelischen über das Körperliche. Auf dem Tennispelatz! Aber Tennis interessiert mich nicht. Martha schnell: Mich noch weniger. Er noch schneller: Mich am wenigsten. Beide schlugen ihre Handflächen gegen einander wie Fußballer, die gerade per Zusammenspiel ein Tor geschossen haben.
Die Leute seien begeistert gewesen. Die Kameras holten feuchte Blicke der Hingerissenheit in die Großaufnahme. Aber Ehrl-König habe noch mehr gewollt. Gibt es etwas, rief er, was einen noch weniger interessieren kann als Tennis, rief er. Martha wußte nichts. Doch, rief er, brüllte er fast, ein Roman über Tennis. Martha lachte hoch auf und rief: You made it. Jetzt seien die beiden irgendwie auf einander zugesunken, das Publikum habe gelacht und geklatscht, als wolle es sich jetzt selber, ohne Ehrl-König, einem Höhepunkt entgegenklatschen, den man dann nur noch Orgasmus nennen könnte. Aber das sei ja auch jedes Mal die Tendenz der Ehrl-KönigSelbstdarstellung. Er sinke dann zurück in seinen mit Zeus-Symbolen prangenden Sessel. Dann aber, wie ein letztes Aufbäume n unter all dem Schmerz, den ihm dieser Autor wieder einmal angetan hat, sagt er leise, kraftlos, fast erlöschend: Ein Roman von über vierhundert Seiten über eine ferigide, perimitive Ferau, für die es in der ganzen Welt nur eine Bezeichnung gebe: Dumme Gans, das empfinde er als persönliche Beleidigung, weil dieser Autor genau wisse, daß Ehrl-König nichts so zuwider sei wie eine ferigide, perimitive Ferau, eben eine dumme Gans. Pfui Teufel. Gefühl für große Gesten habe Ehrl-König zweifellos gehabt. Nach dem letzten Satz der pompöse Händel. Assistentin und Überraschungsgast dirigiere er mit sanften Gesten hinaus, damit er den Schlußbeifall, den nie endenden, ganz allein für sich habe. Wir werden keinen mehr erleben, der ihm gleicht, sagte Silbenfuchs im feierlichsten Ton. Ich stimmte zu, wenn auch nicht so feierlich.
Wir saßen wie in stummem Gedenken, dann gab ich zu verstehen, daß ich um Hans Lachs willen, von dessen Unschuld wir doch beide überzeugt seien, gern noch wüßte, wie die Party dann verlaufen sei.
Zuerst ganz wie immer. Ehrl-König kommt also von der Brücke auf das nächste Niveau, dann wieder auf das nächste und schließlich ist er bei uns herunten in der Polsterwanne, standing ovation, dann brüllt als erster Bernt Streiff, offenbar schon völlig voll: Egal, wie man inhaltlich zu dem, was der Meister heute gesagt habe, stehe, es sei tierisch gut gewesen. Ehrl-Königs Mund reichte vor nichts als Lächeln auf beiden Seiten bis zu den Ohrläppchen. Ja, sagte er, so leid es mir tut, ich fürchte, ich wäre heute fast über mich hinausgewachsen. Martha meint das überigens auch. Und sie kommt aus New York. Und wie kommt Martha, die mich heute erst zum deritten Mal in der SPERECHSTUNDE erlebt hat, dazu, so etwas zu sagen? Sie hat es so gesagt: Anderé, besser kann man nicht sein. Martha, habe ich gesagt, du sperichst ein geroßes Wort gelassen aus. Und jetzt werfe er Martha der edelen Moite der doitschen Intellektuellen vor. Martha fragte sofort nach Hans Magnus, womit sie natürlich Enzensberger meinte, und wurde belehrt: der ist gerade in New York. Das fand sie funny. Ludwig Pilgrim führte Ehrl-König zu dessen Polsterstelle, der ließ sich nieder, auf seinen Polsterthron, ein Butler stand schon mit dem Champagner bereit, Ludwig Pilgrim sagte, wie immer in diesem Stadium, etwas Salbungsvolles. Weil er bald achtzig ist, also weiße Haare, weiches Fleisch plus Krawatte, und weil sein Salbungsvolles bayerisch angehaucht ist, grinst man nicht. Ein großer Verleger müsse kein großer Redner sein, auch wenn er nichts so gern wäre wie eben das. Nur Julia Pelz, seine dritte Frau, aber unschätzbaren Alters, sage manchmal etwas Ätzendes, worauf Ludwig Pilgrim immer sage: Mach es einer Lyrikerin recht. An diesem Abend kam sie nicht dazu, ihren Mann zu kommentieren. Hans Lach hat gebrüllt: Moment mal, Herr André Ehrl-König. Und schon drehten sich alle zu Hans Lach, der auf einen der niederen Glastische gesprungen war, sind ja dicke Glasplatten auf dicken silbern gleißenden Stahl- oder Aluminiumkurven. Moment mal, und begann gar nicht einmal laut, sondern fast
Weitere Kostenlose Bücher